Eher Tiernutzung als Tierschutz?
Die Schweiz verankerte zwar 1992 als erstes Land der Welt die Tierwürde in der Verfassung und verfügt im internationalen Vergleich über ein strenges Tierschutzgesetz. Trotzdem werden gemäss Statistik jährlich nur rund 2000 Widerhandlungen dagegen geahndet und meist mit Bussen von wenigen Hundert Franken erledigt. Aus Blattners Sicht sorgt man sich nur vordergründig um das Tierwohl, denn im Endeffekt werde das menschliche Interesse stets über das tierische gestellt. Beispielsweise, indem in Gesetzen und Verordnungen auch die erlaubten Tötungsmethoden haarklein definiert werden. «Salopp formuliert könnte man das Tierschutzgesetz auch als Tiernutzungsgesetz bezeichnen», findet sie.
Deshalb betrachtet Blattner die Primaten-Initiative als ersten Schritt zu einer breiteren gesellschaftlichen Debatte über gerechtere Mensch-Tier-Beziehungen – und zwar nicht nur zu Tieren, die Menschen ähnlich sind.
Zum Beispiel haben auch Mastschweine ein Interesse daran, keine Schmerzen zu empfinden und zu leben.
Charlotte Blattner
Wichtig sei folgende Überlegung: Tieren Grundrechte zuzugestehen bedeute nicht, dass Menschen dafür weniger davon hätten. Es gelte das Gegenteil: «Wo Tiere schlecht behandelt werden, geht es häufig auch Menschen schlecht.» In industriellen Mastbetrieben herrschten oft schwierige Arbeitsbedingungen vor. Umgekehrt zeigten neue Forschungen, dass in Regionen, wo Tierrechte unterstützt werden, auch Menschen besser geschützt und benachteiligte Bevölkerungsgruppen bessergestellt würden.
Richtig herausfordernd wird es, wenn man die Gewährung von Grundrechten an Tiere langfristig in die Zukunft denkt. Weil damit die existenzielle Frage aufs Tapet kommt, ob ihre Nutzung verunmöglicht wird und der Veganismus die einzig gangbare Alternative bleibt. Dieses Thema werde in der Wissenschaft kontrovers diskutiert, sagt Charlotte Blattner, eine Mehrheit befürworte sie allerdings. Mit dem Tierphilosophen Markus Wild könnte man den Gedanken Richtung Klimawandel weiterspinnen. Angesichts des dramatischen Rückgangs der Biodiversität bleibe den Menschen gar nichts anderes übrig, als ihre Beziehung zu Tieren ganz neu zu denken, wenn sie sich selber retten wollen. Die Primaten-Initiative könnte der Primatenart Mensch so gesehen einen überlebenswichtigen Anstoss geben.
sentience-politics.org
Jürg Steiner ist Journalist und Redaktor bei der «Berner Zeitung»
Kommentare :
Ich bin ebenfalls der Ansicht, dass ein jedes Lebewesen, somit auch ein jedes Tier das Anrecht auf Leben und Wertschätzung hat!!! Tiere sind keine Sachen und somit geht es nicht um Sachbeschädigung. Tiere sind Lebewesen, genau wie Menschen. Nur in einer anderen Form. Die Aufgabe des Menschen sollte es sein, jedliches Leben wert zu schätzen und zu schützen. Bei der Ernährung durch Tiere, sollte genauer bedacht werden, auf welche Art und Weise diese statt findet. Tiere ernähren sich u.a. ebenfalls durch andere Tiere, wenn sie keine anderen Möglichkeiten haben. Und sie nehmen nur das, was sie brauchen zum leben. Sie teilen u.U. sogar mit anderen Tieren. Davon sollten wir lernen und ebenfalls Alternativen zum starken Fleischkonsum nutzen. Massentierhaltung sollte abgeschafft werden.
Interessanter Artikel. Dass wir langfristig von Tiernutzung komplett wegkommen klingt für mich einleuchtend. Auf Fleisch muss wohl trotzdem niemand verzichten. Wenn der Fortschritt in der Laborzüchtung so weitergeht, wird es in ein paar Jahren bis Jahrzehnten keine Rechtfertigung mehr geben, Tiere nur zur Schlachtung aufzuziehen. Vegane Alternativen zu Milch, Ei, Käse und co. werden auch immer besser. Ich bin überzeugt, dass man in ein paar Generationen auf unser "dunkles Zeitalter der Tiernutzung" zurückblicken wird. PS: ich bin selbst kein Vegetarier.