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  • Aus dem Bundeshaus

Elisabeth Eidenbenz, ein Leben im Zeichen der Bescheidenheit

03.10.2025 – Amandine Madziel, Konsularische Direktion, EDA

Die in der Öffentlichkeit bisher wenig bekannte, äusserst bescheidene Auslandschweizerin verkörperte in Kriegszeiten Hoffnung und Menschlichkeit.

In der Schweizer Entbindungsklinik in Elne (Frankreich) wurden Kinder und Frauen verschiedener Nationalitäten und Konfessionen aufgenommen, die vor der Franco-Diktatur oder später vor der Gestapo geflohen waren. Spanierinnen, Jüdinnen und Zigeunerinnen wurden trotz der Anweisung des Schweizerischen Roten Kreuzes, die Rassengesetze von Vichy einzuhalten, versteckt. Schätzungen zufolge konnten dort etwa 200 jüdische Babys gerettet werden. Elisabeth Eidenbenz nahm die «unerwünschten» Kinder bei sich auf und kümmerte sich um sie. Dank ihrer Entschlossenheit und manchmal auch ihres Ungehorsams konnten in der Schweizer Entbindungsklinik 600 Babys vor dem sicheren Tod bewahrt werden.

Ein ikonisches Bild: Elisabeth Eidenbenz mit dem spanischen Flüchtlingskind Pablo. Alle Aufnahmen aus Paul Senns Fotoreportage in der Schweizer Illustrierten Zeitung vom 25. Februar 1942, © Gottfried-Keller-Stiftung

Ihre Geschichte

Elisabeth kam 1913 in Wila ZH als Tochter des Pfarrers Johann Albrecht Eidenbenz und von Marie, geborene Hess, als drittes von sechs Kindern zur Welt. Später absolvierte sie eine Ausbildung zur Lehrerin. Von 1929 bis 1933 besuchte sie die Töchterschule in Zürich und 1934 die Haushaltungsschule in Neukirch an der Thur. Ihre berufliche Laufbahn als Lehrerin begann sie dann in den Arbeitervierteln von Winterthur und Zürich.

Während des Spanischen Bürgerkriegs wurde sie 1938 als Mitarbeiterin des Internationalen Zivildienstes rekrutiert und betreute in Burjassot in der Provinz Valencia die Mitarbeitenden der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Spanienkinder (SAS), auch bekannt unter dem Namen Ayuda Suiza.

Im Januar 1939, als Katalonien von den Franco-Truppen erobert wurde, versetzte man Elisabeth Eidenbenz nach Südfrankreich. In Brouilla, nahe der spanischen Grenze, sollte sie ein Geburtszentrum und Erholungsheim für Flüchtlingsfrauen und ihre Kinder einrichten. Als dieses Ende September 1939 geräumt werden musste, entdeckte Elisabeth Eidenbenz das Schloss von Bardou in der Nachbargemeinde Elne. Es gelang ihr, die notwendigen Mittel aufzubringen, sodass die SAS das Anwesen kaufen und die staatlich anerkannte Entbindungsklinik nach der Renovierung eröffnen konnte.

Die Schweizer Entbindungsklinik in Elne

Die Schweizer Entbindungsklinik in Elne, die von November/Dezember 1939 bis Ostern 1944 betrieben wurde, war eine Aufnahme- und Erholungsstätte für Pflegebedürftige. Diese kamen hauptsächlich aus den Lagern um Rivesaltes und Argelès und waren bei ihrer Ankunft in der Klinik in einem erbärmlichen Zustand. Die Kälte, der Sand, Läuse, Krätze, Ruhr und andere Krankheiten rafften viele Babys und Kinder in den Lagern dahin. Die Sterblichkeitsrate war enorm hoch, und die Aufnahme in die Entbindungsklinik bedeutete für die Frauen einen Hoffnungsschimmer. Viele hatten nicht die Möglichkeit, ihre älteren Kinder mitzunehmen und mussten sie in den Lagern zurücklassen. Das waren herzzerreissende Szenen, und für die Familien waren solche Trennungen unglaublich traumatisch.

Doch die Ruhe, der Schutz vor Wind und Kälte sowie ausreichend Nahrung in der Entbindungsklinik bedeuteten für diese Frauen und Kinder eine unverhoffte Hilfe. Der Zufluchtsort bot entwurzelten und ausgegrenzten Frauen eine Oase des Friedens und Unterstützung, damit sie ihre Mutterschaft meistern konnten. Einige Schwangerschaften waren die Folge einer Vergewaltigung, und die damit verbundenen psychischen Folgen erschwerten die Betreuung zusätzlich.

Viele Frauen kamen in einem stark geschwächten Zustand in der Entbindungsklinik an, manchmal mit kleinen und kranken Kindern im Schlepptau, was das Stillen erheblich erschwerte. Doch unter den Frauen herrschte Solidarität, und zahlreiche Babys konnten schliesslich von anderen Müttern gestillt und gerettet werden.

Kaum waren die Mütter wieder auf den Beinen, mussten sie in die Lager zurückkehren. Elisabeth Eidenbenz jedoch wollte so viele Frauen und Kinder wie möglich vor diesem Schicksal bewahren und versuchte, ihnen eine Arbeit entweder im Schloss oder in einer anderen Schweizer Hilfseinrichtung zu verschaffen. An Ostern 1944 forderte die Gestapo die Entbindungsklinik auf, die Einrichtung innerhalb von drei Tagen zu räumen. Dann setzte sie die endgültige Schliessung des Betriebs durch.

Auszeichnungen und Ehrungen

Elisabeth Eidenbenz wurden zahlreiche Auszeichnungen verliehen, darunter 2002 vom Staat Israel, der sie als «Gerechte unter den Völkern» ehrte. 2006 überreichte der spanische Staat ihr das Goldene Ehrenkreuz des Ordens für soziale Solidarität, im selben Jahr erhielt sie von der katalanischen Regierung den Kulturpreis «Creu de Sant Jordi» und 2007 von der französischen Regierung den Orden der Ehrenlegion.

Alle ihre Auszeichnungen und Ehrungen widmete Elisabeth einer jüdischen Frau namens Lucie, die ein totes Kind zur Welt gebracht hatte und in der Entbindungsklinik geblieben war, um Babys zu stillen, deren Mütter dazu nicht in der Lage waren. 1943 wurde Lucie von der Gestapo verhaftet.

Bisher wurde Elisabeth Eidenbenz in der Schweiz kaum gewürdigt. Obwohl sie sich um alle Frauen in Not kümmerte und sie unabhängig von ihrer Herkunft oder Konfession bei sich aufnahm, ist ihre Lebensgeschichte wenig bekannt und bis heute wurde sie von ihrem eigenen Land nicht für ihr Schaffen geehrt.

In den letzten Jahren ihres Lebens wohnte Elisabeth bei einer Freundin in Österreich. 2008 kehrte sie nach Zürich zurück, wo sie 2011 verstarb.

Die Entbindungsklinik heute

Der historischen Stätte, die zu einem Museum umgebaut und 2013 unter Denkmalschutz gestellt wurde, mangelt es derzeit leider an finanziellen Mitteln. Wie Nicolas Garcia, der Bürgermeister von Elne, bekannt gab, sind Renovierungsarbeiten in Höhe von 4 Millionen Euro erforderlich.

Um diesen Gedenkort zu erhalten, ist es laut Nicolas Garcia unerlässlich, dass die Schweiz die Sanierung des Geländes finanziell unterstützt.

Kommentare

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Kommentare :

  • user
    Maurice de Coulon, Deutschland 30.10.2025 um 07:34

    Elisabeth Eidenbenz, von der ich fast beschämt zugeben muss, nichts gewusst zu haben, obwohl sie eine Cousine zweiten Grades meiner Mutter (geb. Eidenbenz) gewesen ist. Sie war also meine etwas entfernte Tante. Ich bin sehr dankbar, durch den Artikel, etwas von ihr erfahren zu haben. Denn in dieser sehr bürgerlichen Familiensippe in der allenthalben streng protestantische „politische correctness“ herrschte, freut es mich sehr, als nicht ganz so politisch Korrekter in meiner Familie, eine solche Verwandte im Geiste gehabt zu haben. Und es fällt mir nicht schwer davon auszugehen, dass es in der Generation meiner Mutter, auch in ihrer anderen Abstammungslinie, ein Wissen um diese Cousine und ihr Werdegang gegeben haben muss, welches aber durch geflissentliche Verschwiegenheit in Vergessenheit geriet und daher nicht weitergegeben wurde, obwohl eine solche Person ein leuchtender Stern in der Familiengeschichte ist.

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  • user
    Jean-Claude Chabloz, España, Isla Plana, Murcia 09.10.2025 um 13:15

    Comme souvent, voir toujours la suisse se retrouve du mauvais côté de l’histoire avec l’excuse de la neutralité. Hier la deuxième guerre mondiale les fonds en déshérence et aujourd’hui la Palestine!

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