Der Schweizer Franken ist ein Symbol für Stabilität und Qualität. Zum Nationalstolz gehört auch die innige Beziehung zu den heimischen Noten und Münzen: Aufs Bargeld möchten die Schweizerinnen und Schweizer keinesfalls verzichten. Und dies, obwohl sie immer häufiger elektronisch bezahlen – ein Paradox.
Im Untergrund der Nationalbank in Bern: Bevor Münzen und Noten wieder in den Geldkreislauf gelangen, werden sie sortiert und neu verpackt – im Bild neu eingerollte 20-Rappen-Stücke. Foto SNB
Das Herz des Bargeld-Kreislaufs pumpt in der Schweizerischen Nationalbank (SNB) in Bern. Sie sorgt dafür, dass die Schweizer Banken für ihre Privat- und Geschäftskundschaft jederzeit über genügend Flüssiges verfügen. 2024 waren insgesamt Noten und Münzen im Wert von mehr als 76 Milliarden Franken im Umlauf – rund doppelt so viel wie vor 20 Jahren.
Die «Schweizer Revue» erhielt für diesen Schwerpunkt einen seltenen Einblick hinter die streng geschützten Mauern der nationalen Geldversorgung. Im Untergrund der Nationalbank in Bern treffen täglich kistenweise Münzen und Noten ein. Gebracht werden sie von Geldlogistikunternehmen wie der Firma Loomis, welche Banken, Läden und Behörden mit Bargeld versorgt respektive dort abholt. Bevor das Geld erneut in den Kreislauf gelangt, wird es sortiert, kontrolliert und allenfalls ersetzt. Letztes Jahr gab die Nationalbank rund 244 Millionen Banknoten und 166 Millionen Münzen in Umlauf und nahm 238 Millionen Noten und 131 Millionen Münzen zurück.
Im streng geschützten Untergrund
Zutritt zum Bargeldbereich der Nationalbank am Berner Bundesplatz erhält die Reporterin nach einer Sicherheitsprüfung. Mit dem Lift geht es abwärts in den Untergrund. Nach Passieren einer Schleuse eröffnet sich ein Labyrinth aus verwinkelten Gängen und Treppenhäusern. Als Erstes betreten wir einen taghell erleuchteten Saal, der mit seinen Maschinen, Roboterarmen und Förderbändern einer kleinen Industrieanlage gleicht. Einziger Unterschied: Beim zu verarbeitenden Produkt handelt es sich um Schachteln voller Banknoten. An diesem Tag werden 50-Franken-Noten kontrolliert: Ein Mitarbeiter füllt die angelieferten Geldbündel in eine Maschine, die sekundenschnell Echtheit und Zustand jeder Banknote überprüft. Allfälliges Falschgeld landet bei der Bundespolizei. «Unfitte» Banknoten, die verschmutzt, eingerissen oder anderweitig nicht mehr den Standards entsprechen, werden aussortiert und landen direkt im Schredder und später in der Kehrichtverbrennung. 2024 wurden 30 Millionen Noten vernichtet. Im Gegenzug gab die Nationalbank 41 Millionen druckfrische Banknoten in Umlauf.
«Eine hohe Qualität ist unsere Visitenkarte», betont Peter Eltschinger vom Bereich Bargeld, der die «Revue» auf dem Rundgang begleitet. Die Banknoten sind so beschaffen, dass sie einiges aushalten: Wiederholtes Falten oder Waschen sollte ihnen nichts anhaben.
Die «fitten» Noten, die zurück in den Geldkreislauf gelangen sollen, werden maschinell neu verpackt und auf Förderbändern weiterspediert. Bevor die in Plastikfolie verschweissten Geldbündel in einer Transportkiste landen, kontrolliert eine Mitarbeiterin jedes Paket von Hand. Selbst wenn eine Note nur leicht geknickt ist, geht das ganze Paket zurück in die Maschine und wird nochmals neu aufbereitet.
In allen Prozessen der Geldverarbeitung gilt das Mehrpersonenprinzip: Niemand arbeitet alleine. Alle Räume und Arbeitsstationen sind mit Videoüberwachung ausgestattet, «dies schützt auch die Mitarbeitenden», wie der SNB-Vertreter sagt.
Der Lift führt weiter nach unten in die Münzverarbeitung. Hier ist der Lärmpegel deutlich höher als bei der geräuscharmen Notenverarbeitung. An diesem Tag rattern 20-Rappen-Stücke durch die Sortiermaschine. Die «unfitten» Münzen landen direkt in einem separaten Auffangbecken und gehen später zurück an die Herstellerin Swissmint. Die bundeseigene Münzprägeanstalt macht die Geldstücke unkenntlich und entsorgt das Metall.
Durch die Sortiermaschine laufen da gerade gebrauchte 20-Rappen-Stücke. 2024 waren Münzen im Gesamtwert von 3 Milliarden Franken im Umlauf. Foto SNB
Die «fitten» Münzen wiederum werden in Papier eingerollt und erneut in Schachteln verpackt. Jeder Stückelung ist eine Farbe zugeteilt – für die Zwanzigräppler ist dies Rot. Auch in diesem Raum laufen die meisten Arbeitsschritte automatisiert ab. Handarbeit gefragt ist beim Aufschlitzen der angelieferten Münzrollen und beim Prüfen der Münzen, die nicht mit der Maschine verarbeitet werden können.
An einer Wand prangt als Dekoration eine überraschende Leuchtschrift: «Geld und Wert. Das letzte Tabu». Der rote Schriftzug ist ein Erinnerungsstück an die Landessaustellung Expo.02. Damals beauftragte die Nationalbank den Kurator Harald Szeemann (1933–2005) mit der Gestaltung eines Pavillons. Herzstück der Ausstellung war eine Glasvitrine, in der ein Roboterarm pausenlos Hunderternoten in einen Aktenvernichter schob. Was wie eine provokative Wertvernichtung aussah, entpuppte sich als gewollter Trugschluss: Die «unfitten» Banknoten wären ohnehin aussortiert worden – wie dies bis heute täglich im Keller der Nationalbank unter Ausschluss der Öffentlichkeit geschieht.
Paradoxes Zahlungsverhalten
Zum Abschluss des Rundgangs befördert uns der Lift wieder hinauf ans Tageslicht. Im holzgetäfelten «Salon bleu», dem Sitzungszimmer des Bankrates, sprechen wir mit Peter Eltschinger über das Zahlungsverhalten der Bevölkerung. Immer weniger Menschen nutzen Bargeld. Gemäss Nationalbank-Umfrage von 2024 zahlten Privatpersonen nur noch 30 Prozent ihrer alltäglichen Besorgungen mit Bargeld. 2017 lag der Cash-Anteil noch bei rund 70 Prozent. Am häufigsten wird heute in der Schweiz mit Debit- oder Kreditkarte bezahlt – bei fast der Hälfte aller Transaktionen. Stark zugelegt haben Bezahl-Apps wie Twint. Beliebt ist «twinten» vor allem bei jüngeren Menschen, während Personen ab 55 Jahren oder solche mit tiefen Einkommen noch häufiger mit Bargeld bezahlen.
Obwohl Münzen und Noten im Alltag immer seltener zum Einsatz kommen, wünschen 95 Prozent der Bevölkerung, dass Bargeld weiterhin als Zahlungsmittel zur Verfügung steht. Wie lässt sich dieses Paradox erklären? «Die Wahlfreiheit des Bürgers hat in der Schweiz einen hohen Stellenwert», sagt Eltschinger. Das Bargeld werde auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Die verschiedenen Zahlungsmittel ergänzten sich, betont der SNB-Vertreter. Die Vorteile liegen auf der Hand: Bargeld kann unmittelbar und jederzeit eingesetzt werden, braucht als Zahlungsmittel weder Strom noch eine Internetverbindung. Zudem hinterlässt es keine Datenspuren und schützt damit die finanzielle Privatsphäre. Nicht zuletzt bietet es eine Alternative zu den Gebühren von Kreditkarten und Bezahl-Apps. Die Mehrheit der Unternehmen beurteilt Bargeld denn auch als kostengünstigstes Zahlmittel.
Der Schweizer Franken ist ein Symbol für Stabilität und Qualität. Zum Nationalstolz gehört auch die innige Beziehung zu den heimischen Noten und Münzen: Aufs Bargeld möchten die Schweizerinnen und Schweizer keinesfalls verzichten. Und dies, obwohl sie immer häufiger elektronisch bezahlen – ein Paradox.
Bargeld als Wertanlage
Bundesrat und Parlament wollen die Bargeldversorgung durch die Nationalbank künftig explizit in der Bundesverfassung verankern. Sie nehmen damit das Anliegen der 2023 eingereichten Initiative «Bargeld ist Freiheit» auf. Über Initiative und Gegenvorschlag stimmt das Volk im kommenden Frühling an der Urne ab (siehe Kasten).
Nebst dem Konsum dient Bargeld vielen Menschen auch als Wert zum Aufbewahren – sei es im Sparstrumpf oder in einem Safe. Darauf deutet der Anteil «grosser» Noten hin, die sich im Umlauf befinden. So machen die über 36 Millionen Tausendernoten im Geldkreislauf wertmässig fast die Hälfte des gesamten Notenumlaufs aus. Wieviel Flüssiges die Schweizer Bevölkerung tatsächlich zu Hause oder in einem Safe hortet, kann die Nationalbank nicht beziffern. «Das können wir nicht wissen», sagt Eltschinger.
Einen möglichen Hinweis gibt der Anteil «alter» Banknoten, die bislang nicht zur Nationalbank zurückgelangt sind. Darunter befinden sich auch über 170 000 Stück Fünfhundert-FrankenNoten, die bereits seit 25 Jahren nicht mehr als offizielles Zahlungsmittel gelten. Der Gesamtwert von Noten aus zurückgerufenen Serien beläuft sich auf mehr als 9 Milliarden Franken. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass diese «alten» Noten irgendwo in einer vergessenen Schublade liegen, sofern sie nicht verloren gingen. Die gute Nachricht: Obwohl im Laden nicht mehr als Zahlungsmittel akzeptiert, lassen sich Banknoten früherer Serien zeitlich unbeschränkt bei der Schweizerischen Nationalbank umtauschen.
Dazu hat die SNB auf ihrer Homepage www.snb.ch Merkblätter aufgeschaltet. Auslandschweizerinnen und -schweizern empfiehlt der Bankvertreter, im Einzelfall abzuklären, ob aus dem Wohnsitzland eine sichere Postsendung zur SNB oder der Umtausch bei einer Bank in der Schweiz möglich ist.
Neue Banknoten ab 2030
Bereits plant die Nationalbank eine neue Banknotenserie. Die Lebensdauer einer Banknotenserie beträgt rund 15 bis 20 Jahre. Die aktuelle Serie war in den Jahren 2016–2019 eingeführt worden und zeigt symbolisch die Vielseitigkeit der Schweiz. Für die künftige Serie lancierte die Nationalbank vor Jahresfrist einen Gestaltungswettbewerb zum Thema «Die Schweiz und ihre Höhenlagen». Jede der sechs Noten im Wert von 10, 20, 50, 100, 200 und 1000 Franken soll sich der «einzigartigen Topografie» des Landes widmen.
Zu den zwölf eingereichten Designkonzepten wurde erstmals auch die Meinung der Bevölkerung abgefragt. Innerhalb von drei Wochen sahen sich über 100 000 Personen die Entwürfe im Internet an und gaben dazu ihre Präferenzen ab. «Das grosse Echo hat uns positiv überrascht», sagt Peter Eltschinger. Im Herbst nominierte die SNB die sechs Finalisten, aus denen bis im Frühling 2026 der Gewinner oder die Gewinnerin gekürt wird. Dann beginnt die gestalterische Weiterentwicklung der Entwürfe, die auf der SNB-Webseite einsehbar sind.
Die neuen Noten sollen zu Beginn der 2030er-Jahre in den Geldkreislauf gelangen – als Visitenkarten der Schweiz im Portemonnaie ihrer Bürgerinnen und Bürger.
Bargeld soll in die Verfassung
In der Schweiz ist bereits heute gesetzlich vorgeschrieben, dass die Nationalbank das Land mit genügend Bargeld versorgen muss – und dies in der Landeswährung Schweizer Franken. Bundesrat und Parlament sind jedoch bereit, beide Grundsätze in die Verfassung zu schreiben, um ihnen mehr Gewicht zu geben: Was dort verankert ist, kann nur durch einen Entscheid von Volk und Ständen umgestossen werden.
Damit nehmen die Behörden das Anliegen der 2023 eingereichten Initiative «Ja zu einer unabhängigen, freien Schweizer Währung mit Münzen oder Banknoten (Bargeld ist Freiheit)» auf. Sowohl die Initiative wie auch der direkte Gegenvorschlag des Parlamentes kommen am 8. März 2026 an die Urne.
Hinter dem Volksbegehren steht die Freiheitliche Bewegung Schweiz (FBS) des früheren SVP-Politikers Richard Koller. Öffentlich in Erscheinung getreten war die Bewegung erstmals während der Corona-Pandemie, als sie gegen die Maskenpflicht und weitere Massnahmen wie beispielsweise das Impfen protestierte. Eine 2021 eingereichte Initiative gegen «Impfzwang» scheiterte 2024 an einem klaren Volks-Nein.
Mehr Erfolg verspricht nun die Bargeld-Initiative, die im Frühling 2026 zur Abstimmung kommt. Die Initianten wollen sicherstellen, dass «Münzen oder Banknoten immer in genügender Menge zur Verfügung stehen».
Ihnen missfällt die zunehmende Nutzung elektronischer Zahlmittel, welche digitale Spuren hinterlassen. Aus ihrer Perspektive ist Bargeld das einzig sichere Mittel gegen eine Überwachung der Bürgerinnen und Bürger.
Keine Pflicht zur Bargeld-Annahme
Nicht zur Abstimmung steht eine Pflicht zur Annahme von Bargeld in Läden, Restaurants oder öffentlichen Verkehrsmitteln. Eine zweite Initiative der Freiheitlichen Bewegung mit dieser weitergehenden Forderung scheiterte bereits bei der Unterschriftensammlung. Trotzdem beschäftigt der Trend, dass vielerorts nur noch elektronisch bezahlt werden kann, die Politik. In Genf beschloss das Kantonsparlament jüngst eine Änderung des lokalen Gastronomiegesetzes: Demnach müssen Bars und Restaurants von ihren Gästen auch Noten und Münzen als Zahlungsmittel akzeptieren. In anderen Kantonen laufen ähnliche Bestrebungen. Auf nationaler Ebene ist ein politischer Vorstoss hängig, der alle Dienstleister dazu verpflichten will, Bargeld anzunehmen. Der Bundesrat lehnt einen solchen Zwang ab. (TP)
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