Das Postkartenbild der weissen Winterlandschaft trifft für die Schweiz immer seltener zu. Wer Schnee erleben oder Skifahren will, muss häufiger in hoch gelegene Alpendestinationen ausweichen. Skifahren, der helvetische Volkssport, ist zwar nicht vom Aussterben bedroht, wird aber zunehmend zum Luxusvergnügen.
Noch gibt es sie, die Skilifte an einem nahen Hügel – aber nicht mehr lange. Zum Beispiel in Langenbruck, der mit 700 Metern über Meer höchstgelegenen Gemeinde des Kantons BaselLandschaft (BL): 73 Jahre nach seiner Eröffnung steht der Dorf-Skilift vor dem Aus. Schon länger fällt auf dieser Höhe kaum mehr Schnee: In den vergangenen beiden Wintern blieb der Lift, der bis auf rund 900 Meter über Meer fährt, geschlossen.
Unzählige Kinder und Jugendliche waren hier erstmals auf den Brettern gestanden – unter ihnen der heute 74-jährige Architekt und Liftbetreiber Peter Hammer. Sein Vater gehörte zu den Initianten der 1952 eröffneten Anlage – notabene dem ersten Skilift in der Nordwestschweiz. Bereits als Bub half Peter Hammer in seiner Freizeit beim Liftbetrieb mit – und blieb seinem Engagement bis heute treu: «Die Freude der Leute zu sehen, das ist meine Motivation.»
Peter Hammer steht mit seinem Skilift in Langenbruck vor dem Aus. Foto Volksstimme Sissach, Keystone
Bis in die 1980er-Jahre boomte das Skifahren in Langenbruck, das nur knapp 30 Kilometer Luftlinie von der Stadt Basel entfernt liegt. Schnee war damals noch keine Mangelware – nicht zuletzt dank einer 1978 installierten Beschneiungsanlage. Beliebt war auch das Nachtskifahren mit Beleuchtung: So konnten Wintersportfans aus der ganzen Region auch nach Feierabend ihrem Hobby frönen. Doch Anfang der 1990er-Jahre häuften sich die milden Winter ohne Schnee. «Damals sprach man noch nicht gross vom Klimawandel, aber wir spürten, dass sich etwas verändert», erzählt Peter Hammer im Gespräch mit der «Schweizer Revue».
230 Lifte zogen den Stecker
Die Zahl der Tage, an denen die Pisten offen waren, schmolz seither dahin – auf «zwanzig bis null». Der Betreiber hofft nun noch auf eine gute letzte Saison. Findet sich kein Käufer, ist im Frühling 2025 definitiv Schluss. Hammer schmerzt am drohenden Ende am meisten, «dass die Anlage noch in einem guten Zustand ist» – bewilligt wäre der Betrieb noch bis 2031. Mit Wehmut denkt er an die letzten Jahrzehnte zurück und daran, «dass hier ganze Familien und mehrere Generationen mit dem Skisport gross geworden sind».
Langenbruck ist bei weitem nicht das einzige Wintersportgebiet, das kapitulieren muss. In der Vergangenheit erreichte dieses Schicksal schon zahlreiche andere Betreiber. Von den ursprünglich 545 Skigebieten und Talliften in der Schweiz sind rund 230 wieder von der Landkarte verschwunden – rund 40 Prozent. Gemäss einer Untersuchung der Technischen Universität Dortmund führten nebst Schneemangel auch das abnehmende Interesse am Wintersport oder mangelnde Rentabilität zum Liftsterben. Nicht alle aufgegebenen Skigebiete wurden zurückgebaut: An mehreren Orten zeugen bis heute verrostete Liftmasten, kaputte Gondeln oder zerfallene Bergrestaurants von solchen «Lost Ski Places». Ihre früheren Betreiber gingen Konkurs und hinterliessen nebst Schulden auch Ruinen inmitten von Naturlandschaften.
Immer wärmere Winter
Auch für die höher gelegenen Wintersportgebiete werden die steigenden Temperaturen in den nächsten Jahrzehnten zur grossen Herausforderung. Klimaforschende der ETH Zürich haben im Auftrag der Bergbahn-Branche und von Schweiz Tourismus Prognosen für die Winter bis ins Jahre 2050 erstellt. Demnach wird sich der Schneemangel in den nächsten Jahrzehnten für alle Skigebiete unter 1500 Metern verschärfen. Seit Messbeginn 1864 sind die Winter in der Schweiz um 2,4 Grad wärmer geworden, konstatiert ETH-Klimaforscher Reto Knutti: «Bis 2050 erwarten wir gegenüber heute eine weitere Erwärmung von einem Grad Celsius.» Je nach Entwicklung der CO₂-Emissionen kann dieser Wert um ein oder mehrere Zehntelgrade schwanken – mit entsprechend kleineren oder grösseren Auswirkungen.
Nimmt die Temperatur im Winter wie prognostiziert um ein Grad Celsius zu, steigt auch die Nullgradgrenze an – und zwar um 300 Meter. Die Nullgradgrenze ist eine wichtige Kennzahl für den Wintertourismus: Sie zeigt an, ab welcher Höhe Niederschlag als Schnee vom Himmel fällt. Bereits seit den 1960er-Jahren hat sich diese Grenze um 300 bis 400 Meter nach oben verschoben – mit fatalen Folgen für die Skilifte im Tal.
Eng wird der Spielraum gemäss dem Klimaforscher in Zukunft für diejenigen Skigebiete, deren Lifte nicht über eine Höhe von 1800 Metern hinausführen. Für sie ist auch die Herstellung von Kunstschnee schwierig: Die Schneekanonen laufen nur bei Temperaturen unter null Grad. Gemäss den Klimaprognosen nimmt aber die Zahl dieser Eistage ab – je nach Höhenlage um 10 bis 30 Prozent. «Insbesondere zum Winteranfang, also von Mitte November bis Mitte Dezember, wird es zu warm sein zum Beschneien», gibt Knutti zu bedenken.
Noch mehr Kunstschnee
Zwar liegen zahlreiche Wintertourismusdestinationen in den Alpen oberhalb der kritischen Grenze von 1500 Metern. Doch auch sie müssen ihre Strategien aufgrund des Klimawandels anpassen. Gemäss einer Umfrage der Universität St. Gallen bei 100 Bergbahnen rechnen über 75 Prozent für die nächsten 20 Jahre mit weniger Schneesicherheit und einer kürzeren Wintersportsaison. Dennoch gehen die meisten Betreiber davon aus, dass Skifahren und Snowboarden auch künftig beliebt bleiben. Sie investieren deshalb noch stärker in den Ausbau von leistungsstarken Beschneiungsanlagen, die in kurzer Zeit hohe Mengen an Kunstschnee produzieren. Wo möglich, sollen Skipisten nach «oben» verschoben werden – mit weiteren Bahnen, die Schneesportler noch höher hinauf in die Berge bringen.
Diese Pläne haben ihren Preis: Nötig sind millionenschwere Investitionen. Zum Teil springen ausländische Geldgeber in die Lücke. So hat der US-Konzern Vail Resorts bereits vor zwei Jahren das Skigebiet Andermatt-Sedrun im Grenzgebiet zwischen den Kantonen Uri und Graubünden aufgekauft. Seit 2024 gehört auch die Walliser Destination Crans-Montana zum Portfolio des amerikanischen Wintersport-Giganten, dem weltweit über 40 Skigebiete gehören. Vail Resorts will in beiden Schweizer Destinationen insgesamt rund 50 Millionen Franken in den Ausbau der Infrastruktur – Beschneiungsanlagen, Bergbahnen und Restaurants – investieren. Dies soll weitere Investoren anlocken, die ihrerseits Hotels und Ferienresorts bauen, um zahlungskräftige Gäste in die Wintersportorte zu bringen.
Vom Volks- zum Luxussport
Auch andere Wintersportorte investieren kräftig in den Ausbau ihrer Infrastruktur. Dies führt – nebst gestiegener Energiekosten – auch zu höheren Ticketpreisen. Je nach Grösse der Destination kostet ein Tag Skifahren für eine erwachsene Person zwischen 40 und 90 Franken. Mehrere Bahnbetreiber setzten auf «dynamische» Preise, die je nach Nachfrage und Buchungszeitpunkt schwanken. Dies kann in Hotspots wie St. Moritz, Zermatt oder der Snowboard-Hochburg Laax mitunter zu Preisen von über 100 Franken pro Tag führen.
Für Aufsehen sorgte eine Aussage des Laaxer Bergbahnchefs Reto Gurtner, wonach das Preismaximum noch nicht erreicht sei. «In zehn Jahren wird eine Tageskarte in Laax zwischen 200 und 300 Franken kosten», prognostizierte Gurtner letzten Herbst. Er geht davon aus, dass der Ansturm auf schneesichere Gebiete weiter zunehmen wird – und es genügend Passionierte mit hoher Zahlungsbereitschaft gibt. Beim Golfen seien die Leute bereits heute bereit, bis 1000 Franken pro Runde zu bezahlen.
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts sind die Winter in der Schweiz um 2,4 Grad wärmer geworden. Bis 2050 dürfte die Temperatur nochmals um 1 Grad zunehmen. Der Schneemangel wird dann bis auf eine Höhe von 1500 Metern zu spüren sein.
Der Tourismusexperte Jürg Stettler von der Hochschule Luzern rechnet zwar nicht damit, dass sich derart exorbitante Preise überall durchsetzen können. Doch überlegten sich viele Schweizerinnen und Schweizer, ob sich der Wintersport für sie noch lohne. «Skifahren ist schon heute nicht mehr jener Volkssport, der es noch vor 40 Jahren war», sagte Stettler gegenüber Radio SRF. Zwar betreibt noch immer rund ein Drittel der Bevölkerung Schneesport: «Wer Ski fahren geht, tut dies aber immer seltener.» Vor allem für Familien wird Wintersport zunehmend zum unerschwinglichen Luxusgut – für Eltern mit zwei Kindern kostet eine Woche Skiferien rasch mehrere Tausend Franken.
Geniesserischer Moment in den Schweizer Alpen (Weisshorn, 2653 Meter über Meer). Foto Keystone
Die Skilager-Tradition schwindet
Auch an den Schulen hat der frühere Volkssport an Bedeutung eingebüsst. Gehörten in den 1970er-Jahren die jährlichen Skilager noch zum Standardprogramm, ging diese Tradition in den letzten Jahrzehnten zunehmend verloren. Der Lehrplan 21 gibt diesbezüglich lediglich das Ziel vor, dass sich Kinder «auf gleitenden Geräten» fortbewegen können – das geht auch auf Schlittschuhen.
Der Bund subventioniert Schneesportlager mit Geldern aus dem Programm «Jugend+Sport». Pro Jahr profitieren davon rund 100 000 Jugendliche. Mit der 2014 lancierten Schneesportinitiative will auch die Branche wieder vermehrt Kinder und Jugendliche in den Schnee bringen. Die Plattform «GoSnow.ch» bietet Schulen und Lehrpersonen nebst Lehrmitteln fixfertig organisierte Schneesportlager zu günstigen Preisen an. Im laufenden Winter organisiert die Plattform insgesamt rund 400 Lager für über 18 000 Teilnehmende.
Für Fränzi Aufdenblatten, Präsidentin der Initiative und ehemalige Skirennfahrerin, ist Skifahren nicht nur eine Leidenschaft, sondern ein «Schweizer Kulturgut». Für sie ist es unvorstellbar, dass Kinder, die hierzulande aufwachsen, nicht zumindest einmal mit dem Schneesport in Kontakt kommen: «Das wäre, wie wenn man auf Hawaii lebt und nie ein Surfbrett ausprobiert.»
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts sind die Winter in der Schweiz um 2,4 Grad wärmer geworden. Bis 2050 dürfte die Temperatur nochmals um 1 Grad zunehmen. Der Schneemangel wird dann bis auf eine Höhe von 1500 Metern zu spüren sein.
Erinnerung an die «goldenen Tage von Sapporo»: Der Schweizer Abfahrts-Olympiasieger Bernhard Russi (Nr. 4) und der Schweizer Olympiazweite Roland Collombin (Nr. 11) auf den Schultern von Fans an den Olympischen Winterspielen 1972. Foto Keystone
Der Mythos der Skination Schweiz
«Alles fährt Ski ... alles fährt Ski ... Ski fährt die ganze Nation»: Der eingängige Schlager von Vico Torriani aus dem Jahr 1963 gehört zur Begleitmusik des Skibooms, der in den 1960er- und 1970er-Jahren seinen Höhepunkt erreichte. Dass sich Skifahren in der Schweiz als Breitensport etablieren konnte, hing entscheidend mit dem Angebot von Skiliften zusammen – nicht zuletzt in tiefen Lagen. Damals war der nächste Bügellift nicht weit weg, und fast jedes Schulkind fuhr regelmässig ins Skilager. Den Mythos der Skination Schweiz befeuerten auch die «Goldenen Tage von Sapporo». Bei den Olympischen Winterspielen 1972 in Japan gewann die Schweizer Delegation zehn Medaillen – unvergessen bleiben der Doppelsieg von Bernhard Russi und Roland Collombin in der Abfahrt sowie die beiden Goldmedaillen von Marie-Theres Nadig.
«Wehrkräftiges Volk» durch Wintersport
In der Schweiz waren es zunächst die Bergsteiger, welche die Skier für ihre Touren entdeckten, wie der Sporthistoriker Simon Engel in einem Blog des Nationalmuseums schreibt. 1893 wurde in Glarus der erste Skiclub gegründet, 1904 entstand der Schweizerische Skiverband. Anfänglich war das Skifahren vor allem ein Freizeitvergnügen für reiche Touristinnen und Touristen. Sportbegeisterte Briten aus der Oberschicht stürzten sich nach dem Prinzip «Downhill only» die Hänge hinunter.
Dass Skifahren zum Schweizer Volkssport und damit «nationalisiert» wurde, hat gemäss dem Sporthistoriker mit den beiden Weltkriegen zu tun, die den internationalen Tourismus zum Erliegen brachten. Um mehr Schweizerinnen und Schweizer auf die Pisten zu bringen, flossen öffentliche Gelder – sowohl in die Rettung von Hotels und Bergbahnen wie auch in Rabatte für Tickets und Skischulkurse. Ab den 1940er-Jahren führten erste Kantone die jährlichen Sportferien ein, die zum Skifahren genutzt werden sollten.
Auch die Armee unterstützte das nationale Projekt. Während dem Zweiten Weltkrieg beschrieb General Guisan unter dem Werbeslogan «Gesunde Jugend. Wehrkräftiges Volk durch Wintersport» die Berge und das Skifahren als ideales Feld, um die physische und moralische Stärke für die Landesverteidigung zu trainieren. Die konzertierte Propaganda- aktion erfüllte ihren Zweck: Die Gäste aus dem Unterland füllten Betten und Pisten in den Wintersportorten.
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Michele Engel, USA 05.02.2025 um 17:23
I did not grow up in Switzerland but my father did. We moved there in the late 60’s for four years from California. We spent some time every winter in many Alpine ski villages, my father skiing while my mother and I Cross Country skied. I will cherish those memories until I die.
My father would be told “don’t go here” when going off to ski on one of the slopes, but he was so skilled and adventurous he would ski those area anyway. Way after dark my mom and I would be sitting a bit concerned by the big fire place in the lobby of one of those beautiful ski lodges. Then the door would open and in came my father beaming! “Oh what an experience!” And he would tell us his tale of his precarious skiing on the forbidden slopes. I know he would be heart broken to hear that these places are melting and not the image of the heavily snow capped mountains and slopes he grew up hiking and skiing on. And it breaks my heart as well.
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I did not grow up in Switzerland but my father did. We moved there in the late 60’s for four years from California. We spent some time every winter in many Alpine ski villages, my father skiing while my mother and I Cross Country skied. I will cherish those memories until I die.
My father would be told “don’t go here” when going off to ski on one of the slopes, but he was so skilled and adventurous he would ski those area anyway. Way after dark my mom and I would be sitting a bit concerned by the big fire place in the lobby of one of those beautiful ski lodges. Then the door would open and in came my father beaming! “Oh what an experience!” And he would tell us his tale of his precarious skiing on the forbidden slopes. I know he would be heart broken to hear that these places are melting and not the image of the heavily snow capped mountains and slopes he grew up hiking and skiing on. And it breaks my heart as well.