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  • Aus dem Bundeshaus

«Schweizer bleiben Bürger unseres Landes, egal, wo auf der Welt sie leben»

09.04.2021 – EDA

Bundesrat Ignazio Cassis spricht im Interview über die Folgen der Corona-Pandemie für Auslandschweizerinnen und -schweizer sowie über künftige Projekte zugunsten der heterogenen Fünften Schweiz und deren besonderen Ansprüche. «Wir haben stets ein offenes Ohr für ihre Bedürfnisse», sagt Cassis, Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten.

Herr Bundesrat, die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Reisebeschränkungen isolieren die Auslandschweizerinnen und -schweizer und bringen sie teils in eine schwierige persönliche oder wirtschaftliche Lage. Welche Unterstützung lässt das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) ihnen zukommen?

Die Pandemie hat uns alle vor neue Herausforderungen gestellt, in der Schweiz ebenso wie im Ausland. Wir legten grossen Wert darauf, alle unsere Auslandsvertretungen offen zu halten. Ich habe meine Dienste angewiesen, den eingegangenen Hilfsgesuchen besondere Aufmerksamkeit zu schenken und die nötigen Mittel bereitzustellen, damit wir die Folgen langfristig abfedern können. Ich denke dabei insbesondere an die Sozialhilfe, die allen unseren Mitbürgern offensteht, die ihre Grundbedürfnisse nicht mehr allein finanzieren können.

Und ausserhalb der Pandemie?

Das EDA hat 2018 eine Befragung über unser Netzwerk und 2019 eine Umfrage bei den Auslandschweizerinnen und -schweizern durchgeführt, auf die über 52 000 Antworten eingegangen sind. Mit deren Hilfe haben wir mehrere Handlungsfelder identifizieren können, die wir bereits bearbeiten. So zum Beispiel, dass die erste Anmeldung als Auslandschweizerin oder -schweizer seit diesem Jahr online ausgeführt werden kann, ohne dass Originaldokumente an die Auslandsvertretung geschickt werden müssen.

Wird dieser Prozess fortgesetzt?

Im Jahr 2021 prüfen wir nun, ob der formale Rahmen, insbesondere die Auslandschweizerverordnung, noch den Bedürfnissen entspricht und ob die festgelegten Grundsätze effizient angewandt werden. Wir haben auch weiterhin ein offenes Ohr für die Anliegen unserer Gemeinschaft.

Der erschwerte Postverkehr verunmöglicht vielen in der Fünften Schweiz das Wählen und Abstimmen. Laut Ignazio Cassis werde man deshalb im Juni den Einsatz diplomatischer Kuriere testen. Foto Marco Zanoni

Ein weiteres Dauerthema: die politischen Rechte. Bei den letzten Abstimmungen sind bei der Zustellung der Abstimmungsunterlagen noch grössere Schwierigkeiten als bisher aufgetreten. Was kann dagegen unternommen werden?

210 000 Personen sind in den Stimmregistern eingetragen. Die Mehrheit lebt in Europa oder Nordamerika, wo kaum Probleme bei der Zustellung festgestellt werden. Für einen Teil der restlichen Wählerinnen und Wähler bestehen Probleme beim Empfang der Abstimmungsunterlagen. Wegen der Beeinträchtigung des internationalen Postverkehrs im Zuge der CoronaPandemie haben sich diese Probleme verstärkt. Die Bundeskanzlei ist zwar die Instanz für die Koordination auf Bundesebene, die Ausübung der politischen Rechte und namentlich die Zustellung der Abstimmungsunterlagen fallen jedoch in die Zuständigkeit der Kantone.

Was kann also das EDA konkret tun?

Es ist mir wichtig, zu allen Massnahmen beizutragen, die den Auslandschweizerinnen und -schweizern die aktive Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglichen. Ein Pilotprojekt der Bundeskanzlei ist für die Abstimmung vom Juni 2021 geplant. In dessen Rahmen soll der Einsatz diplomatischer Kuriere und der Auslandsvertretungen getestet werden. Auf dieser Grundlage werden wir feststellen, ob weitere Schritte ins Auge gefasst werden können.

Drei Viertel der Auslandschweizerinnen und -schweizer sind auch Bürger von mindestens einem weiteren Staat. Welches ist Ihre Botschaft an sie?

Dass Schweizerinnen und Schweizer Bürgerinnen und Bürger unseres Landes sind, egal, wo auf der Welt sie leben! Und dies gilt auch dann, wenn sie zusätzlich das Bürgerrecht eines anderen Landes besitzen.

Trotzdem bestehen für sie bestimmte Probleme.

Ja, das stimmt. Besonders im Bereich des konsularischen Schutzes. Die Möglichkeit zu intervenieren ist manchmal begrenzt, insbesondere dann, wenn die betroffene Person auch Bürger ihres Wohnsitzlandes ist. In diesem Fall betrachten die lokalen Behörden diese Person ausschliesslich als Staatsangehörige ihres Landes. Das erschwert das Vorgehen. Dies ist jedoch auch nicht überraschend: Die Schweiz verfolgt eine ähnliche Politik.

Und wenn Mitglieder einer Familie über eine andere oder über mehrere Nationalitäten verfügen?

Was die Unterstützung von Schweizerinnen und Schweizern angeht, werden wir uns niemals selbst einschränken. Die Einheit der Familie bildet eines unserer Handlungsparadigmen, sowohl bei der Meldung von Personen bei unseren Auslandsvertretungen als auch dann, wenn wir zugunsten unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger handeln.

Zeigt Nähe zur Fünften Schweiz: Bundesrat Ignazio Cassis, zusammen mit dem Präsidenten der Auslandschweizer-Organisation Remo Gysin (links), umringt von jugendlichen Auslandschweizerinnen und -schweizern am Winzerfest in Vevey im Juli 2019. Foto zvg

Sind Fragen in Bezug auf die mehrfache Staatsangehörigkeit spezifisch schweizerisch?

Nein, das sind sie nicht. Und die Frage wird gelegentlich für andere Zwecke instrumentalisiert, etwa dann, wenn eine Person willkürlich in Haft gesetzt wird, damit Druck auf das Herkunftsland ausgeübt werden kann. Es handelt sich dabei um eine Art der Geiselnahme, die ich nicht gutheissen kann. Ich habe im Februar an einer von Kanada organisierten virtuellen Ministerkonferenz teilgenommen, um die Lancierung einer internationalen Initiative gegen willkürliche Verhaftungen von Ausländerinnen und Ausländern zu unterstützen, insbesondere von Mehrfachbürgerinnen und -bürgern.

Spielte die Travel Admin App des EDA beim Management der Corona-Pandemie eine entscheidende Rolle?

Tatsächlich erwies sich die 2019 lancierte App im Frühling 2020 als sehr nützlich bei der Information, Unterstützung und Lokalisierung unserer im Ausland festsitzenden Mitbürgerinnen und -bürger. Dank deren Vorschlägen konnten wir einige Verbesserungen bereits in die neue Version der App integrieren, so die vereinfachte Aktualisierung der Reisedaten.

Arbeiten Sie nach dem Vorbild der App auch an einer Modernisierung der Kommunikationskanäle zur Fünften Schweiz?

Die Travel Admin App richtet sich auch an Auslandschweizerinnen und -schweizer, die reisen oder Ferien machen. So gesehen haben wir auch für sie bereits einen wichtigen Schritt unternommen. Ein weiterer Erfolg war die virtuelle 1.-August-Feier, die in zahlreichen Ländern sehr gut ankam. Trotzdem teile ich Ihre Ansicht über die Notwendigkeit, eine moderne und effiziente Kommunikation mit Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern sicherzustellen. Ich habe die Konsularische Direktion damit beauftragt, eine spezifische mobile Schnittstelle – zum Beispiel in Form einer App – zu entwickeln, die die Kontaktaufnahme und den Informationsaustausch vereinfachen soll. Die Applikation sollte 2022 verfügbar sein.

Können Sie uns zum Abschluss etwas über die Bedeutung der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer für die bilateralen Beziehungen der Schweiz sagen?

Die Verteidigung der Interessen der Schweizer Bürgerinnen und Bürger, egal, wo sie leben, ist eines der Leitprinzipien der Arbeit des Bundes. Ich kann Ihnen versichern, dass dies in unseren internationalen Verhandlungen berücksichtigt wird. Ein aktuelles Beispiel ist die «Mind the gap»-Politik. Diese Strategie hat es uns ermöglicht, die Kontinuität unserer Beziehungen zum Vereinigten Königreich trotz Brexit zu sichern – insbesondere zugunsten der Auslandschweizerinnen und -schweizer.

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Kommentare :

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    Ariste Maurer, Brasilien 06.08.2021 um 08:48
    Leider sehen die Schweizer Banken dies nicht so. Schweizerbürger und Ausländer, die in der Schweiz ihren offiziellen Wohnsitz haben, haben, so viel mir bekannt ist, ein Anrecht auf ein Konto auf einer Schweizer Bank. Dies gilt aber nicht für die Ausland-Schweizer, vor allem anscheinend diejenigen, die in “problematischen” Ländern, wie Brasilien ihren Wohnsitz haben. Diese werden von den Schweizer Banken wie räudige Hunde behandelt und es ist beinahe unmöglich ein bestehendes Konto zu erhalten oder gar ein neues Konto zu eröffnen – es sei denn, man möchte ein Ersteinlage von 500.000 – 1 Mio. CHF einbringen oder einen solchen Betrag bereits auf dem Konto zu haben. Wenn es sich um bescheidenere Beträge handelt, werden die Konten unter Angabe von “administrativen Massnahmen” geschlossen und neue Kontos aus dem gleichen Grund nicht akzeptiert. Löblich Ausnahme, die (bislang noch staatliche) PostFinance. Ob das so bleibt, ist eine andere Frage.
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  • user
    Elsbeth Beltman, Niederlande 11.05.2021 um 12:46
    "Schweizer bleiben Bürger unseres Landes, egal, wo auf der Welt sie leben": Ist das nicht einfach schön zu lesen?! Als ich 80 Jahre alt wurde, erhielt ich von der Schweizer Botschaft einen Gratulationsbrief. Auch das erfreute mich ausserordentlich. Ich wohne schon 60 Jahre in den Niederlanden. Es ist ein Vorrecht zu wissen, dass man von Geburt an zu einem Land gehört; und sowieso zur schönen Schweiz. Ich bekomme etwas AHV. Das ist jeden Monat ein Geschenk aus der Schweiz.

    Liebe Schweizerinnen und Schweizer, mit diesem Brief will ich einfach meinen Dank an die Schweiz aussprechen!
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  • user
    Catherine Guisan, USA 16.04.2021 um 00:36

    Merci pour cet interview, mais je suis déçue que vous n'ayez pas interrogé Monsieur Cassis sur le traitement discriminatoire des banques suisses vis-à-vis des citoyens suisses résidant aux USA. Cela reste un gros problème que le Conseil fédéral devrait aider à régler.

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