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  • Aus dem Bundeshaus

Hinter den Kulissen der Schweizer Regierung: Die Bundeskanzlei

29.01.2016

Am 1. Januar 2016 übergab die ehemalige Bundeskanzlerin Corina Casanova das Amt an Walter Thurnherr, der am 9. Dezember vergangenen Jahres von der Bundesversammlung zu ihrem Nachfolger gewählt worden war. Die Bilanz der Bündnerin bietet die Gelegenheit, wieder einmal einen Blick auf die vielfältigen und häufig wenig bekannten Aufgaben der Stabsstelle der Schweizer Regierung zu werfen.

Acht Jahre lang hat Corina Casanova die Mitglieder des Bundesrates mit viel Engagement und Besonnenheit bei der Durchführung ihrer Aufgaben beraten und unterstützt. Es war eine Arbeit, die viel Geduld erforderte, und die sie bewusst fernab vom Scheinwerferlicht durchführte. Sie diente in erster Linie dazu, den Schweizer Regierungsmitgliedern, die jährlich mehr als 2500 Entscheide zu treffen haben, ihre unzähligen Aufgaben so gut wie möglich zu erleichtern.

Wichtige Reformen

Von der fast perfekten Diskretion der Bündner Rechtsanwältin sollte man sich jedoch nicht täuschen lassen: Während ihrer zwei Mandate an der Spitze der Bundeskanzlei hat Corina Casanova durchaus Spuren hinterlassen. Auch dank neuer Aufgaben, die das Parlament ihr zur Unterstützung der Regierungstätigkeit übertragen hat, konnte sie bedeutende Reformen durchführen, sei es bei der Organisation der Sitzungen oder beim Controlling der Bundesratsangelegenheiten. Bemerkenswerte Fortschritte wurden indes auch bei der Digitalisierung der Dienste der Exekutive, der Bundesverwaltung und der Bundeskanzlei erzielt. Hierzu zählen insbesondere die 2012 eingeführte elektronische Verwaltung sämtlicher Geschäfte des Bundesrates, die Einführung der Rechtsverbindlichkeit der elektronischen Fassung bei amtlichen Veröffentlichungen ab dem 1. Januar 2016 oder die kontinuierliche Unterstützung der Kantone bei der schrittweisen Einführung des von den Auslandschweizern sehnlich erwünschten E-Votings. Unter ihrer Leitung wurde bei der Bundeskanzlei zudem ein Präsidialdienst eingerichtet, der den Bundespräsidenten bei seiner Tätigkeit beraten und unterstützen und für eine gewisse Kontinuität bei diesem Amt sorgen soll.

Kommunikation und Mehrsprachigkeit

Corina Casanova kommt ferner das Verdienst zu, die Regierungskommunikation durch den Aufbau der Internetseiten (admin.ch und ch.ch) und der sozialen Medien, die einen direkteren und weniger formellen Kontakt zur Bevölkerung ermöglichen, modernisiert zu haben. Kommunikation erfolgt jedoch auch und vor allem über das gegenseitige Verständnis und die Kenntnis der verschiedenen Landessprachen. Die aus Ilanz im Kanton Graubünden stammende ehemalige Kanzlerin spricht sechs Sprachen und die Förderung der Viersprachigkeit der Schweiz lag ihr stets am Herzen. Ihre Entscheidung war es, in der Bundeskanzlei eine Teilzeitstelle für einen Übersetzer für Rätoromanisch, ihre Muttersprache, einzurichten. Wichtige Dokumente, wie die eidgenössischen Abstimmungsunterlagen oder die Wahlanleitung für die Nationalratswahlen, werden in den vier Nationalsprachen veröffentlicht. Für ihren Sinn und ihr aktives Engagement für Sprachen wurde sie 2013 vom Forum für die Zweisprachigkeit mit dem Preis für die Zwei- und Mehrsprachigkeit sowie mit dem Preis der Regionalgesellschaft SRG SSR Svizra Rumantscha ausgezeichnet.

Aufgaben der Bundeskanzlei

Die Bundeskanzlei ist eine komplexe Organisation mit recht vielfältigen, wenn auch der breiten Öffentlichkeit häufig nicht bekannten Aufgaben. Bei deren Durchführung wird der Bundeskanzler von etwa 250 Mitarbeitenden unterstützt, die überwiegend in Bern tätig sind. Als Stabsstelle der schweizerischen Exekutive ist die Bundeskanzlei für die Vorbereitung der Sitzungen des Bundesrates und die Kommunikation seiner Entscheide sowie die Planung und Koordinierung der Regierungstätigkeiten zuständig. Im Gegensatz zur Situation in anderen Ländern erfüllt der Bundeskanzler in der Schweiz überwiegend administrative Aufgaben. Er nimmt an den Regierungssitzungen teil, verfügt aber – obwohl er Vorschläge zu den behandelten Themen unterbreiten kann – nicht über ein Stimmrecht. Neben den Aufgaben und den Entscheiden der Regierung informiert die Bundeskanzlei die Öffentlichkeit durch eine ganze Reihe von Veröffentlichungen, die von den Sammlungen des Bundesrechts über das Amtsblatt bis hin zu verschiedenen Broschüren über die Organisation des Staates und seine Funktionsweise reichen. Eine davon, «Der Bund, kurz erklärt», zählt zu den auflagenstärksten Publikationen der Bundesverwaltung (knapp 300 000 Exemplare pro Jahr).

Garantin der politischen Rechte und der Sprachen

In praktisch keinem anderen Land ist die demokratische Beteiligung des Volkes so umfangreich wie in der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Wahlen, Abstimmungen, Initiativen, Referenden: Die Schweizer Bürgerinnen und Bürger werden regelmässig zu den Urnen gerufen, um sich zur Zukunft des Landes zu äussern. Hierbei spielt die Bundeskanzlei eine grundlegende Rolle. Es ist nämlich ihre Aufgabe, die Bevölkerung über die zur Abstimmung stehenden Bundesthemen zu informieren, die Abstimmungsergebnisse zu veröffentlichen oder auch die Nationalratswahlen zu organisieren. Als Hüterin nicht nur der politischen Rechte, sondern auch der Sprachen hat die Bundeskanzlei schliesslich sicherzustellen, dass Gesetze, Verordnungen und internationale Verträge einfach und verständlich in den drei Amtssprachen und bisweilen auch in Rätoromanisch und Englisch verfasst werden.

Der neu gewählte Bundeskanzler Walter Thurnherr steht vor zahlreichen Herausforderungen. Bei der Stabübergabe zeigte sich Corina Casanova jedoch zuversichtlich und überzeugt, eine solide Institution zu hinterlassen, die in der Lage ist, mit dem Wandel der Zeit Schritt zu halten.

Ein Kenner der Aussenpolitik als neuer Bundeskanzler

Seit Anfang Jahr ist Walter Thurnherr Bundeskanzler. Als Diplomat und früherer Chef des Auslandschweizerdienstes hat er einen engen Bezug zur Aussenpolitik und zur Fünften Schweiz. Nach dem Studium der theoretischen Physik schlug er 1989 eine diplomatische Laufbahn ein, mit Stationen in Moskau, New York und Bern. 1997 ernannte ihn Flavio Cotti, der damalige Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), zu seinem persönlichen Mitarbeiter. 1999 wurde Walter Thurnherr stellvertretender Chef, 2000 Chef der Politischen Abteilung VI des EDA. Von 2002 bis 2015 war er Generalsekretär in drei Departementen, zuletzt im Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK).

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