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  • Editorial

Demokratie mit Verspätung

04.02.2021

Sie ist heute Auslandschweizerin, lebt in Deutschland, zählt 77 Lenze und sagt von sich, sie nehme an jeder Eidgenössischen Abstimmung teil. Hanna Sahlfeld-Singer, von der hier die Rede ist, würdigt damit Mal für Mal, was sie selber erkämpfen half.

Sie zählt nämlich zu den vielen engagierten Kämpferinnen fürs Frauenstimmrecht in der Schweiz. Und sie zählt zu den wenigen Frauen, die vor 50 Jahren als Erste in den Nationalrat einzogen. Das Titelbild der aktuellen «Schweizer Revue» zeigt Hanna Sahlfeld-Singers grossen Moment unter der Bundeshauskuppel: Hier legt sie 1971 ihren Eid auf die Verfassung ab. Zugegeben, die neugewählte Parlamentarierin hatte etwas Mühe, überhaupt ins Haus zu kommen: Man verwies sie zunächst zum Besuchereingang. Eine vielsagende Reminiszenz.

Von Australien (Frauenstimmrecht seit 1902) über Aserbaidschan (1918), Albanien (1920) bis zur Zentralafrikanischen Republik (1946) und Zypern (1960): Alle erwachten sie früher. Warum beharrte ausgerechnet die Schweiz als eine der ältesten Demokratien der Welt so lange darauf, die halbe Nation – die Frauen – aus dem politischen Leben auszuschliessen? Andernorts führten spätestens die beiden Weltkriege zu riesigen gesellschaftlichen Umwälzungen. In der Schweiz aber verharrte die Männerwelt lange im Glauben, das Frauenstimmrecht sei zu kühn, unnötig und sogar unnatürlich. Darum sagt die in unserem aktuellen Schwerpunkt zitierte Historikerin, es sei reiner Unwille gewesen.

Zum ganz anderen grossen Thema: Die zweite Welle der Corona-Pandemie hat die Schweiz wuchtig erfasst. Wir blicken auf Festtage zurück, die kaum Gemeinsamkeit zuliessen. Auch Zehntausende Auslandschweizerinnen und -schweizer konnten ihre Freunde, ihre Nächsten und ihre Orte der Erinnerung in der alten Heimat nicht besuchen. Der Austausch zwischen hier und dort wurde zur reinen Bildschirmangelegenheit, während der wir zunehmend merken: Wirklich persönliche Begegnung lässt sich nicht technologisch simulieren.

Marc Lettau, Chefredaktor

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Kommentare :

  • user
    Laurent Vuilleumier, New Zealand 19.07.2021 um 08:21
    Just reading the editorial in the February 2021edition and disappointed to see that New Zealand who was the first country to give women the vote in 1893 doesn't get a mention.
    Übersetzung anzeigen
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