Die politische Landschaft der Schweiz sieht nach der Parlamentswahl vom 18. Oktober 2015 – übrigens die 50. in der Geschichte des Landes – deutlich anders aus als zuvor. Und zum Wahljubiläum ist auch Historisches zu vermelden: Noch nie seit der Einführung der Proporzwahlen 1919 war eine einzelne Partei derart stark im Nationalrat. Der überragende Wahlsieg der SVP wird abgerundet durch den nicht minder wichtigen Stimmenzuwachs der Freisinnig-Liberalen (FDP). Praktisch alle anderen Parteien bröckelten mehr oder weniger deutlich. Bitter ist der Wahlausgang vor allem für die neuen Mitteparteien, die bei den letzten Wahlen 2011 zu den Siegern gehörten: die von der SVP abgespaltene Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP) und die Grünliberalen (GLP).
Die Sieger: SVP und FDP
- Die SVP steigert ihren Wähleranteil auf 29,4 Prozent. Bei den letzten Wahlen 2011 sackte sie auf 26,6 Prozent ab und verlor erstmals seit 1987 Wähleranteile. Jetzt gewinnt sie im Nationalrat ganze 11 Sitze dazu und stellt mit 65 Mandaten die mit Abstand grösste Fraktion. Symptomatisch sind zwei Personalien: Die SVP stellt mit Quereinsteiger Roger Köppel, Verleger und Chefredaktor der «Weltwoche», den Nationalrat mit der höchsten persönlichen Stimmenzahl in der Schweiz überhaupt. Zudem findet die Blocher-Ära eine weibliche Fortsetzung: Christoph Blochers Tochter Magdalena Martullo-Blocher, Ems-Chemie-Chefin, schafft den Sprung in den Nationalrat.
- Die FDP schafft die Trendwende nach einer langen Verlustperiode von über 30 Jahren. Sie steigert sich von 15,1 auf 16,4 Prozent und hat neu 33 Sitze, gewinnt also drei Mandate.
- Die SP bleibt zwar zweitstärkste Partei, ihr Wähleranteil bleibt recht stabil (2011: 18,7 Prozent, 2015: 18,8), doch die Partei büsst drei Mandate ein. Sogar ihr Fraktionspräsident, Andy Tschümperlin aus dem Kanton Schwyz, wird abgewählt.
- Bös erwischt hat es auf der linken Seite die Grüne Partei. Sie gehörte bereits bei den letzten Wahlen zu den Verlierern und sackt jetzt von 8,4 auf 7,1 Prozent Wähleranteil ab. Statt 15 haben die Grünen nur noch 11 Mandate.
- Die CVP zieht es im Abwärtssog der Mitteparteien ebenfalls nach unten. Die traditionsreiche Partei krebst von 12,3 Prozent Wähleranteil auf 11,6 zurück. Mit nur einem Sitzverlust kommt die Partei mit einem blauen Auge davon und steht nun bei 27 Mandaten. Trotzdem: Sie hat ihr schlechtestes Wahlresultat aller Zeiten eingefahren.
- Bitter ist die Bilanz für die GLP, dies vor allem vor dem Hintergrund der spektakulären Gewinne 2011. Damals schaffte sie es von 3 auf 12 Sitze, ihr Wähleranteil betrug 5,4 Prozent. Nun ist er auf 4,6 Prozent zurückgegangen, die Sitzzahl ist mit neu 7 Mandaten fast halbiert worden.
- Ein Einbruch hat auch die Partei von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, die BDP, zu verkraften, die 2011 ebenfalls zu den Siegern gehörte: Ihr Wähleranteil schrumpft von 5,4 auf 4,1 Prozent, ihre Sitzzahl von 9 auf 7 Mandate.
Die Bürgerlichen neu gruppiert
Der spektakuläre Wahlsieg der SVP und auch der FDP wird noch dadurch akzentuiert, dass der rechtsbürgerliche Block im Nationalrat, zählt man die kleinen Rechtsparteien Lega dei Ticinesi (2 Sitze) und Mouvement Citoyens Genevois (1 Sitz) dazu, nun mit 101 Sitzen über die absolute Mehrheit verfügt. Eine automatische Mehrheit ist das nicht: In wirtschafts-, sozial- und steuerpolitischen Fragen könnte diese Mehrheit zum Tragen kommen, in anderen Bereichen ist sie bedeutungslos. In der Europapolitik etwa unterscheidet sich die FDP stark von der SVP – die Freisinnigen stehen klar hinter dem bilateralen Weg.
Eines sollte angesichts des Wahlausgangs nicht vergessen werden: Die Schweiz war schon immer ein klassisch bürgerliches Land mit einer klaren bürgerlichen bis rechtsbürgerlichen Mehrheit. Früher waren das der einst mächtige Freisinn und die nicht minder dominanten Katholisch-Konservativen, die Vorläuferpartei der CVP, die im Verbund mit der kleineren Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei BGB (heute SVP) die Politlandschaft beherrschten. In einem langjährigen Prozess haben sich die Kräfte neu gruppiert. Heute treten die Rechtsbürgerlichen massiv gestärkt auf in Form der rechtspopulistischen SVP – sie folgen damit einem europaweiten Trend.
Der Grund für den Einbruch der Mitteparteien liegt vor allem in ihrer Konturlosigkeit. Es ist ihnen auch nicht gelungen, zusammen mit der CVP die Kräfte zu bündeln. Nicht ausgeschlossen ist auch, dass sich das Aufflackern von Grünliberalen und BDP als Strohfeuer erweisen wird. Immer wieder gab es in der Schweiz Parteien, die während einiger Zeit erstaunliche Erfolge erzielten, dann aber wieder verschwanden. Das Paradebeispiel ist der Landesring der Unabhängigen.
Verhängnisvoll für die Konkurrenten der SVP waren die aktuellen Flüchtlingsprobleme und, dadurch akzentuiert, das Thema Migrationspolitik. Alle anderen Politikbereiche, etwa Umweltthemen, Atomausstieg, soziale Fragen, sind in den Hintergrund getreten und haben damit auch auf das Wahlresultat der Grünen gedrückt. Der FDP wiederum hat die wirtschaftlich unsichere Zukunft wohl Stimmen gebracht: Viele haben sich offenbar deshalb unter das Dach der traditionsreichen Wirtschaftspartei begeben.
Zum Artikel "Mehr Kandidierende, mehr Listen"
Zum Artikel "Hochspannung vor der Bundesratswahl"
Zum Artikel "Stabilität im Ständerat"
Kommentare
Kommentare :
C-TIP, wird auf ende 1015 Gültigkeit haben.
T-TIP, wird bis ende 2016 auch stehen
Daraus folgt: Der ganze nordamerikanische Markt, inkl Knanda wird für Produkte der EU zollfrei. Die Schweizer werden diesen Markt verlieren.
mit traurigen Grüssen
Erwin Balli
Mit den 65 ewiggestrigen Verhinderer kann man die so dringend notwendigen Reformen überhaupt nicht, oder nur unzureichend durchführen, denn
Alle schweizer Produkte (exkl. AGIE) sind zu teuer. Daher kauft Familie Schweizer im benachbarten Ausland ein. 2014 CFR 11Mia
Dadurch entgehen der Bundeskasse im Minimum 1,5Mia Einahmen.
Tendenz steigend.
Das desaströste Fiasko der Nationalbank mit ihrem Euro-Abenteuer
wird erst 2016 ausgestanden sein. Verlust bis dato 61 Mia. Wieviel es ende 2016 sein werden will ich mir erst gar nicht vorstellen. Stille Reserven können aufgelöst werden, Verluste müssen abverdient werden. Auch da ein Manko für den Bund.
Auch der Massentourismus ist im Vergleich zum benachbarten Ausland zu teuer.
Unser Verwaltungsapparat (Wasserkopf) ist auf allen Ebenen auf-
gebläht und daher nicht beweglich und vor Allem viel zu teuer.
Eine Landwirtschaftspolitik, wie wir sie betreiben, können sich die Saudis leisten. Die Schweiz nicht.
Jährlich werden hunderte, wenn icht tausende von Arbeitsplätzen ins billigere Ausland verlagert.
Jede, auch nur angedeutete Veränderung, der bilateralen Verträge mit der EU ist wirtschaftlicher Selbstmord.
Denn Industrie ist nicht alles, jedoch ohne Industrie ist alles
NICHTS.
"" Edelschweizer"" bitte hört auf einen alten Industriemann.
Ohne Reformen wird es keine Zukunft für unsere Schweiz geben.
Hört auf zu träumen, dass die Schweiz ein Planetchen der Glückseligen in den unendlichen Weiten des Universums ist.
Bitte, bitte glaubt mir, die Schweiz ist auf Gedeih und Verder-
ben von der EU abhängig.
Daran ändern auch so unsäglich strohdumme, jedoch publizisitisch sehr wirksame Sprüche, wie der, der Schliessung der Nord-Südachse nichts. Zitat Dr. Chr. Blocher 10.02.2104 alt Bundes-
rat. Wobei die Bemerkung alt unbedingt als zum Teufel gejagt
interpretiert werden muss.
Bleibt troztdem heiter und habt hilbe Zeiten
Saludos cordiales pero no atentos
Erwin Balli
Die SVP wird in den nächsten Wahlen nochmals zulegen, garantiert und die FDP wird sich entscheiden müssen auf welcher Seite sie steht - auf der Seite des CH-Bürgers oder auf der Seite der global operierenden Firmen, die die CH lediglich als zur Zeit noch vorteilhaften Standort benutzen. Die werden aber schnell weg sein, wenn immer mehr EU-Misskonzeption in unser Land einzieht! Ein nicht einfacher Spagat wird das werden!
Dann haben wir noch die immer noch mehrheitlich links-mitte Ständeräte, die leider nicht den Kanton mit seinen Bürgern vertreten, sondern ihre Parteien! Das ist gelinde gesagt ein Disaster! Es wird eine sehr gute Kooperation und ein Zusammenraufen geben müssen zwischen SVP u. der FDP um dieses Unwesen zu stoppen!!
Harte Arbeit und etwas Glück ist angesagt!
Der Autor Jürg Müller diffamiert gezielt die SVP als "rechtspopulistisch", was für ihn eine negative Steigerung des bereits anrüchigen "rechtsbürgerlich" sein zu scheint. Kein Wort davon, dass auch in CVP, FDP, Lega und MCG "rechtsbürgerliche" Parlamentarier zu finden sind, die dem als Schimpfwort gemeinten "rechtspopulistisch" entsprechen.
Demgegenüber scheint der Begriff "linkspopulistisch" als Abqualifikation für linke Parteien überhaupt nicht zu existieren.
Ich wünsche mir in der Auslandschweizerrevue eine neutrale Berichterstattung frei von unterschwelliger Sypathiebekundung für welche Seite auch immer. Das gilt auch gegenüber den politischen Projekten des EDA.
Rita (parteilos und politisch ungebunden)
Dank der direkten Demokaratie und unserem Politsystem kann sich das Schweizervolk, im Unterschied zu den meisten anderen europäischen Länder, der von Linkideologen beherrschten Mainstreampress propagierten politisch Korrektheit und Ausrichtung entziehen. Thanks God und zum Wohle der Schweiz!