Menu
stage img
  • Sport

Die Schweiz: Paradies für Gleitschirmflieger

16.03.2015 – Stéphane Herzog

Mit 16000 Gleitschirmfliegern ist die Schweiz das Land, in dem dieser Sport am häufigsten praktiziert wird. Die Trümpfe des Landes sind die Schönheit und Vielfalt der Landschaften, die zahlreichen Gleitschirmschulen, die Dichte des Seilbahnnetzes und das öffentliche Verkehrsnetz.

Paragliding bedeutet, sich mit einem Gleitschirm – ein Segel, wie es die Liebhaber dieses Sports nennen – von irgendwo her emporzuschwingen, «vorausgesetzt, es herrscht günstiges Wetter und der Bauer aus der Nachbarschaft erlaubt uns, dass wir sein Feld benutzen», sagt Christian Jöhr. Er ist 63 Jahre alt, wohnt in Genf und hat mehr als 1000 Flüge absolviert. Diese Sportdisziplin, die in den 1980er-Jahren von Bergbewohnern erfunden wurde, um die mühsamen und gefährlichen Abstiege zu reduzieren, zählt heute in der Schweiz 16000 lizenzierte Anhänger. «Unser Land ist ein Paradies für Gleitschirmflieger. Dafür gibt es mehrere Gründe», sagt Christian Poppart, Direktor des Schweizerischen Hängegleiter-Verbands (SHV). «Es existiert ein gut ausgebautes Seilbahnnetz, und zu Land erreicht man mit dem Zug oder dem Postbus leicht seinen Ausgangspunkt», unterstreicht der Berufspilot Olivier Biedermann. Der gebürtige Basler hat sich in das Paragliding und das Wallis, wo er 1998 auch hingezogen ist, verliebt. Mit seinem kleinen Unternehmen Flyin›high, das er mit seinem Walliser Freund Alexandre Lamon betreibt, bietet er in Crans-Montana Flüge für Touristen an.

Die Alpen und der Jura

Die Topologie des Landes ist ein weiterer Vorteil, erklärt Christian Jöhr, dessen bevorzugte Location das Val d’Illiez im Unterwallis ist, «wo es möglich ist, fast jederzeit zu fliegen, ausser wenn es regnet!». In den Alpentälern sind die Gleitschirmflieger vor meteorologischen Winden, wie der Bise oder dem Westwind, geschützt. Wenn dagegen die Witterungsbedingungen in den Bergen schlecht sind und der meteorologische Wind nicht stärker als 40 km/h bläst, bieten unter Umständen die Kämme des Jura Unterstützung beim Fliegen. Und dann kann man immer noch vom schweizerischsten der französischen Berge, dem Salève, aus starten, der auch ein attraktiver Startplatz für das Gleitschirmfliegen ist. 

Flyin›high verkauft in Crans-Montana jedes Jahr rund 100 Flüge. Ein Flug von etwa 15 Minuten Dauer mit einem Höhenunterschied von 1000 Metern kostet 150 Franken oder 250 Franken bis ins Flachland. Das Geschäft wird in Teilzeit betrieben. «Grösstes Hemmnis ist das Wetter. Der Föhn mit seinen Windböen macht das Fliegen unmöglich», sagt Olivier Biedermann, der halbtags in der Kommunalverwaltung arbeitet, um seiner ­Leidenschaft frönen zu können. «Gleitschirmfliegen ist ein Nischensport, den nur ein kleiner Teil der Touristen interessiert, die sich in der Schweiz aufhalten», analysiert Véronique Känel, Sprecherin von Schweiz Tourismus. Das Tourismusbüro macht auf seiner Website nur im Sommer Werbung für den Sport (MySwitzerland.com > Erlebnisse > Abenteuer & Sport Winter), und verweist auf die SHV-Website. Es kommen aber doch einige Tausend Besucher – Liebhaber des Sports oder Touristen – zum Gleitschirmfliegen in die Alpen. Zwei «Spots» stehen gemäss SHV besonders im Mittelpunkt: Verbier (VS) und Fiesch im Oberwallis. Der letztgenannte Ort eignet sich besonders für lange Flüge und Rekorde wie beim historischen Flug bis Innsbruck! «Für Touristen, die mit einem Gleitschirm fliegen wollen, ist Interlaken der grösste Magnet. In der Stadt wohnen etwa 60 Piloten», präzisiert Christian Poppart. Der Direktor weist darauf hin, dass bei den acht tödlichen Unfällen, die sich 2014 in der Schweiz zugetragen haben, die Hälfte der Opfer Ausländer waren. «Das Wetter in den Alpen ist komplexer und extremer als in flachen Ländern wie Deutschland. Ausserdem ist die Sicht stärker eingeschränkt. Diese Bedingungen lösen bei den Besuchern dieser Regionen oftmals Stress aus. Dennoch ist Gleitschirmfliegen kein gefährlicher Sport, wenn man die Sicherheitsregeln beachtet. Er ist nicht riskanter als das Wandern im Hochgebirge», versichert Christian Poppart.  

Ein Flug wie ein Geschenk 

In Crans-Montana setzt sich die Kundschaft von Flyin’high aus Touristen, neugierigen Jugendlichen oder Personen zusammen, die einen Flug im Tandemgleitschirm geschenkt bekommen haben. Wie sind ihre Reaktionen? «Es ist beim Start häufig etwas Besorgnis zu spüren», hat Olivier Biedermann beobachtet. «Manchmal haben die Kunden etwas Herzrasen oder Bauchschmerzen, doch wir passen den Flug den Gegebenheiten an, und es ist jederzeit möglich, den Flug abzubrechen. Aber wenn man erst einmal in der Luft ist, dann überwiegt doch die Begeisterung. «Man braucht nur zwei oder drei Schritte zu machen und schon ist man in der Luft. Das ist einfach magisch, und manchmal sind die Leute wirklich bewegt», erzählt der Pilot. 

Woher kommt diese Liebe zum Fliegen? «Es ist ein Natursport, und man spielt mit der Luft und der Sonne. Wenn sich die Talränder erwärmen, entstehen aufsteigende Luftströmungen», erläutert der Wahlwalliser. «Ich fliege über schwer zugängliche Landschaften, wo ich sonst nie hinkommen würde, zum Beispiel über Berggipfel. In der Luft kann man Adlern und Bartgeiern begegnen und die Tierwelt der Alpen wie Steinböcke und Gemsen beobachten. Und es ist ein Sport, der die Umwelt nicht verschmutzt – wenn man einmal von den Seilbahnen und der Produktion des Materials absieht.» Er beschreibt zauberhafte Flüge, wie den über den Dent Blanche, mit der Bergstation von Vercorin als Ausgangspunkt. Ein Adlerflug in der Nähe der Couronne in 4000 Meter Höhe oder über den Aletschgletscher gleiten – was kann es Schöneres geben? 

Christian Jöhr, ein Kadermitarbeiter in der Sozialverwaltung von Genf, schwärmt von den körperlichen Empfindungen während des Fliegens. «Das Gleiten und das Aufsteigen mit der Thermik. Genau das ist es.» Gleitschirmfliegen erfordert auch, die Risiken und seine eigene Leistungsfähigkeit richtig einzuschätzen. «Man muss aufmerksam sein, darf sich aber nicht von der Angst übermannen lassen», fasst der Genfer zusammen, der gesteht, ein- oder zweimal in einem Baum gelandet zu sein und sich den Knöchel verstaucht zu haben. Leider hat er durch den Sport aber auch einen Bekannten verloren. Sein Motto? «Es ist besser zu bedauern, dass man auf der Erde geblieben ist, als zu bedauern, dass man in der Luft ist!» Das kann passieren, wenn sich die Wetterbedingungen ändern oder der Gleitschirmflieger innerhalb von einigen Minuten durch Luftströmungen 1000 Meter in die Höhe gesaugt wird. Die Paraglider verfügen über Rettungsfallschirme, die sich öffnen lassen, wenn sich das Segel einklappt und sich nicht mehr öffnen lässt. 

Zur Freude des SHV setzt sich die Aufwärtsentwicklung des Gleitschirmsports in den Alpen und im Jura mit einer Zunahme der neuen Mitglieder um 2% pro Jahr stetig fort. Der aktuelle Trend geht ein bisschen zurück zu den Anfängen des Gleitschirmsports nach dem Motto «Hike and Fly» (Wandern und Fliegen), denn das Material wird immer leichter. Christian Jöhr: «Das Material hat sich in den letzten 20 Jahren unglaublich entwickelt. Das gilt sowohl für die Feinheit der Flügel (und damit auch für die Distanzen, die man überwinden kann) wie auch für die Sicherheit. Man kann heute mit einem Flügel mit einem Gewicht von fünf bis sechs Kilogramm wandern. Früher wog er rund 20 Kilogramm.» Im Wanderparadies Schweiz können die Wanderer also künftig von den Bergen herunterfliegen anstatt herunterzuklettern. Trauen Sie sich? 

www.myswitzerland.ch > Erlebnisse > Abendteuer & Sport Sommer

stéphane herzog ist Redaktor bei der «Schweizer Revue» 

Speed Flying und Wingsuit: Ode an die Geschwindigkeit und das Adrenalin

Das Gleitschirmfliegen entstand aus dem Fallschirmspringen. Die ersten Flüge in den 1980er-Jahren wurden mit einfachen Fallschirmen absolviert. Diese wurden in der Folge zu Gleitschirmen weiterentwickelt. Dabei hat sich das Verhältnis zwischen der Höhe des Ausgangspunkts und der absolvierten Flugstrecke fast verzehnfacht.

Die aktuellste Entwicklung des Gleitschirmfliegens ist das Speed Flying, ein Zwitter aus Skifahren und Gleitschirmfliegen mit kleineren Gleitschirmen. Beim Speed Flying fährt man bis zu den Felsspalten und Abhängen und überfliegt sie dann in der Luft in einer irren Geschwindigkeit. Dabei bleibt man ganz nah am Boden, was den kinetischen Effekt verstärkt. Der SHV schätzt, dass dieser Sport von etwa 200 bis 300 Menschen ausgeübt wird. 2014 habe diese Aktivität, die riskanter als das Gleitschirmfliegen sei, zwei Todesopfer gefordert. Speed Flying ist auf Skipisten verboten. Auf einigen Stationen, zum Beispiel in St. Moritz (GR), sind jedoch einige Zonen reserviert, «wo der Sport in aller Sicherheit ausgeübt werden kann», versichert Christian Poppart.

Noch verrückter ist der Wingsuit. Dessen Anhänger haben die Fläche des Schirms noch mehr verkleinert, sodass er nun aussieht wie der Flügel einer Fledermaus. Der Wingsuit ist integraler Bestandteil des Fluganzugs. Die Anhänger dieses Extremsports, der ein Zwischending zwischen dem freien Fall und dem Gleitschirmfliegen ist, überfliegen die Bergwipfel mit einer Geschwindigkeit von über 100 km/h, bevor sie den Fallschirm öffnen. Diese Disziplin ist verwandt mit dem Base-Jumping (Fallschirmsprung von festen Objekten), dessen Mekka Lauterbrunnen (BE) ist. Schweiz Tourismus weist allerdings darauf hin, dass diese hochriskanten Sportarten nicht Teil der Werbekampagnen sind.

Mit seinen Flügeln fliegen: eine Gebrauchsanleitung 

Wollen Sie in der Schweiz fliegen? Nichts einfacher als das, ist das Land doch gespickt mit Flugschulen, Flugvereinen und Berufspiloten. Dem SHV zufolge kostet ein Probetag mit einem Flug von 10 Metern 120 Franken. Für das Gleitschirmfliegen braucht man eine Fluglizenz (Brevet). Die Ausbildung dauert ein Jahr, damit der Pilot unter den unterschiedlichsten Witterungsbedingungen sicher fliegen kann, so der SHV. Die Ausbildung kostet ungefähr 1800 Franken und das komplette Material rund 5000 Franken. Gleitschirmfliegen ohne Brevet ist verboten. Und die Ausbildung in der Schweiz ist «hart», meint Christian Jöhr. 

Kommentare

×

Name, Ort und Land sind erforderlich

Geben Sie einen gültigen Namen ein

Gültige E-Mail ist erforderlich!

Geben Sie eine gültige E-Mail an

Kommentar ist erforderlich!

Sie müssen die Kommentarregeln akzeptieren.

Bitte akzeptieren

Google Captcha ist erforderlich!

* Diese Felder sind erforderlich.

Kommentare :

  • user
    André BOHN 27.03.2015 um 01:58
    Hello Monsieur Hertzog,

    Je suis vraiment navré de lire votre article. En effet, lorsque l'on écrit quelque chose, on prend soin de prendre les bonnes informations.

    Le parapente a été testé le 27 juin 1978 par André BOHN et Jean-Claude Betemps, c'est ajouté le 2ème jour Gérard Bosson. Tous les trois n'étaient pas des montagnards, mais des parachutistes confirmé. J'ai été moi même champion Suisse à plusieurs reprises et champion du monde de précision par équipe. Vous pouvez trouvez ces informations sur internet (andre bohn parapente).

    Mes salutation d'Australie ou je vis maintenant.
    Übersetzung anzeigen
  • user
    wilfried gsell 21.03.2015 um 22:14
    Hallo Mr. Herzog , gerade las ich den Bericht Paradies fuer Gleitschirm fliegen .Leider sind Sie damit in einigen wichtigen Punkten total daneben : wirklich ?Bauern haben das Gleitschirm fliegen erfunden ? 16'000 Brevetierte Piloten ? Ich erwarb mein Brevet 1976 als Delta Pilot ,Nummerierung damals schon 5000 ich bin mir sicher dass sich die Brevetierungs Nummern Heute in den 40'000er bewegt!Im Artikel ist es einmal der Gleitschirm und dann wieder ein Fluegel .....sorry einfach etwas zu oberflaechlich

    lieber Gruss aus Kanada
    Übersetzung anzeigen
top