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  • Kultur

«Wahrscheinlich sind wir Schweizer nicht die geborenen Exzentriker»

28.09.2016

Die Lovebugs veröffentlichen mit «Land Ho!» ihr erstes Album seit vier Jahren. Ein Gespräch mit Frontmann Adrian Sieber über das Schweizersein in der Popmusik und die Erwartungshaltung bezüglich dem Ausland.

«Schweizer Revue»: Nach vier Jahren Pause erscheint heuer das neue Album der Lovebugs – unterdessen eine Band aus gestandenen Familienvätern.

Adrian Sieber: Ja, mittlerweile ist auch unser Schlagzeuger Simon Ramseier als letzter von uns fünf Vater geworden. Er hat vor wenigen Monaten eine Tochter bekommen.

Warum hat das neue Werk so lange auf sich warten lassen?

Eigentlich war «Land Ho!» schon vor einem Jahr fertig. Doch dann bemerkten wir, dass uns gewisse Momente auf den Aufnahmen nicht richtig überzeugten. Also mischten wir das Album, das wir in Berlin aufgenommen hatten, nochmal ab und nahmen bei der Gelegenheit vier zusätzliche Songs auf, zuhause in Basel, im Studio unseres Gitarristen Thomas Rechberger.

Sie gingen für die Aufnahmen zuerst ins «Funkhaus», ein ehemaliges Ostberliner Radiostudio. Warum gerade Berlin?

Unser Produzent Marco Jäger wohnt dort. Er stammt aus Bern und ist vor ein paar Jahren nach Berlin ausgewandert.

Studios gäbe es in der Schweiz aber gleich gute wie in Berlin …

Absolut, das «Funkhaus» ist ein grossartiges Studio, aber in der Schweiz kann man genauso gut aufnehmen. Das war übrigens früher schon so. Grössen wie Queen, David Bowie oder Deep Purple kamen vor Jahrzehnten schon in die Schweiz. Umgekehrt kann es für eine Schweizer Band extrem beflügelnd sein, im Ausland aufzunehmen. Gerade wenn man Familie hat, ist es eine grosse Qualität, sich zwei Wochen freischaufeln und sich rund um die Uhr auf die Musik fokussieren zu können. Zuhause muss man das Kind in die Kita bringen, der Alltag ist immer sehr nahe. Im Ausland taucht man ganz in die Musik ein und lernt dabei noch neue Orte und Menschen kennen. Deshalb gingen wir nach Berlin.

«Land Ho!» kommt auch ausserhalb der Schweiz in die Läden, wie schon die meisten früheren Alben der Lovebugs. Ihre Labels haben die Band stets auf den grossen Märkten zu etablieren versucht, aber so richtig klappen wollte das bisher nie. Warum?

Nachdem wir in der Schweiz mehrmals auf Platz eins der Charts landeten und das Land am Eurovision Song Contest vertraten, wurde der Durchbruch im Ausland von vielen als logischer nächster Schritt erwartet. Als dieser dann nicht im grossen Stil eintrat, hiess es schnell einmal, die Lovebugs hätten es «nicht geschafft» – obwohl wir Tausende treue Fans rund um den Globus hatten. Diese Ansicht hat mich immer etwas gestört, denn man muss mit seinen Erwartungen realistisch bleiben: Die Schweiz ist ein sehr kleines Land mit einer winzigen Musikindustrie. Als Band von hier aus eine internationale Karriere zu starten, ist nach wie vor extrem schwierig – die Voraussetzungen sind schlicht katastrophal.

Als Schweizer Band hat man einen Standortnachteil?

Auf jeden Fall, wenn wir den internationalen Durchbruch konsequent angestrebt hätten, hätten wir vor 20 Jahren nach London oder New York auswandern müssen. Dann wäre unsere Karriere wohl anders verlaufen.

Ein Gefühl der verpassten Chancen?

Nein, unser Weg war richtig so! Und um ganz ehrlich zu sein, überlegten wir uns gar nie ernsthaft auszuwandern. Unser soziales Netz war in Basel und darauf wollten wir nicht verzichten. Ausserdem machten wir einige nicht so tolle Erfahrungen mit Labels in Deutschland. Wir hatten das Gefühl, dass sie über uns bestimmen wollten, ohne unsere Musik zu verstehen. Und das Personal wechselte ständig. Deshalb fanden wir schon früh, dass wir lieber in einem Umfeld des Vertrauens und mit Leuten, die wir kennen, gemeinsam etwas aufbauen sollten, anstatt auf das Ausland zu setzen. In der Schweiz hatten wir die Möglichkeit, im eigenen Tempo zu wachsen – deshalb sind wir noch immer hier, deshalb haben wir nach 20 Jahren noch immer das gleiche Management.

Brachten die Ausflüge nach Deutschland denn gar nichts?

Doch, natürlich! Die Labels organisierten Konzerte und Tourneen für uns, und das Publikum mochte uns sehr. In Deutschland galten wir als internationale Newcomerband, und als solche landeten wir sogar im «Bravo». Das genossen wir schon.

Wurden Sie als Schweizer Band denn ernst genommen?

Natürlich fanden uns die Deutschen irgendwie niedlich, weil wir aus der Schweiz kamen – und ein bisschen niedlich waren wir damals auch (lacht). Wir hatten jedoch nie das Gefühl, als Musiker nicht wirklich ernst genommen zu werden.

Aber es ist für eine Popband schon nicht besonders hipp, aus der Schweiz zu kommen – im Gegensatz zum Beispiel zu Island oder Dänemark, welches ebenfalls kleine Länder sind.

Sicher, und das nervt, aber die Schweiz hat nun mal wenig vorzuweisen auf diesem Gebiet, das ist unser Los. Umgekehrt hatten zumindest die Lovebugs im Ausland immer auch einen Exotenbonus im positiven Sinn.

Schweizer Popbands gelten auch nicht als besonders mutig und eigen.

Wahrscheinlich sind wir Schweizer nicht die geborenen Exzentriker. Und das müsste man sein, um auf dem Popmarkt herauszustechen. Wir leben in einem neutralen Land im Zentrum Europas und wollen es immer allen recht machen. Diese Mentalität färbt in vielen Fällen ab, das kann man nicht leugnen – während zum Beispiel die Isländer auf ihrer Insel am Rande des Kontinents inmitten der Naturgewalten entsprechend eigenwillige Musik hervorbringen. Was uns Schweizern ausserdem fehlt, ist die Bereitschaft zum absoluten Risiko. Wir möchten immer noch gleichzeitig unseren Abschluss machen, arbeiten und Geld verdienen.

Die Schweiz ist nun mal ein wohlhabendes Land, das neben der Musik viele andere Perspektiven bietet.

Und das schätze ich auch an unserem Land. Ich lebe in Basel, einer internationalen und sehr offenen Stadt, die mir zugleich Stabilität und finanzielle sowie soziale Sicherheit bietet. Das sind wichtige Werte. Und auch die Schweizer Mentalität finde ich persönlich absolut okay. Ich mag die schweizerische Zurückhaltung.

Die Lovebugs – eine Basler Erfolgsgeschichte

Die Lovebugs gehören zu den erfolgreichsten Popbands der Schweiz. Das Quintett um den Sänger und Songwriter Adrian Sieber formierte sich 1992 in Basel – damals noch als Trio. Schnell wurden die Lovebugs zur liebsten Indiepopformation des Landes. Sie schrieben nicht nur gute Songs, sondern sahen auch gut aus, weshalb den «Liebeskäfern» zu Beginn auch der Ruf einer Boygroup anhaftete. Die Band hat bis heute zehn Studioalben veröffentlicht, drei davon landeten in den Schweizer Charts auf Platz eins. Besondere Aufmerksamkeit erlangten die Lovebugs 2009, als sie die Schweiz am Eurovision Song Contest mit dem Song «The Highest Heights» vertraten. Das neue Album «Land Ho!» ist am 7. Oktober im In- und Ausland bei Sony Music erschienen.

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Kommentare :

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    Sommer Michel 06.10.2016 um 19:31
    Pas des excentriques ? Dommage, nous devrions parfois l'être un peu plus ...et ça nous eviterait de nous prendre pour le centre du monde !
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  • user
    Ueli Keller 05.10.2016 um 23:05
    Germany is an important market for swiss musicians. The don't care too much about the "farmer-accent", because they have that themselfs too. And of course it's close, you can go there with all your equipement by car to play smaller venues. (That's not only about rock music, that's the same for thge "Schlagerszene", people like Françine Jordi make a lot of money with german audience (also on TV)
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  • user
    BRUNO RUEGG 05.10.2016 um 18:41
    why do you care what germans think?
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