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  • Kultur

Die erste studierte Jodlerin will die Tradition weitergeben

10.05.2024 – Susanne Wenger

Die Walliserin Dayana Pfammatter Gurten ist die erste Jodlerin mit Master-Abschluss in der Schweiz. Bedenken, das beliebte Brauchtum werde an der Hochschule akademisiert, weiss sie zu zerstreuen. Ihr sei es wichtig, den traditionellen Jodelgesang weiterzugeben, sagt sie.

Sie kommt aus dem Bergdorf Mund oberhalb von Brig und steht für ein neues Kapitel in der Schweizer Volksmusik: Dayana Pfammatter Gurten. Die 31-Jährige verfügt seit Kurzem über einen Master of Arts in Musik mit Hauptfach Jodeln.

Sie ist die Erste, die den 2018 lancierten Studiengang an der Hochschule Luzern erfolgreich abgeschlossen hat. «Viele denken, ich hätte dort den ganzen Tag gejodelt», sagt sie. Doch es sei ein breit ausgerichtetes Musikstudium an der Zentralschweizer Fachhochschule gewesen. Neben Stimmbildung und Körperarbeit büffelte sie in den fünfeinhalb Jahren Fächer wie Musiktheorie, Rhythmik und Musikgeschichte.

Gemeinsam mit anderen Musikstudierenden verschiedener Richtungen spielte sie in einem Volksmusik-Ensemble, lernte das Komponieren und Arrangieren. «Ich durfte meinen Rucksack mit viel musikalischem Wissen füllen», stellt sie fest. Jodelerfahrung brachte Dayana Pfammatter bereits mit, denn das Jodeln begleitet sie seit der Kindheit. Ihre Familie pflegte den Jodelgesang. Früh lernte sie zudem, das «Schwyzerörgeli» zu spielen, die für die Schweizer Volksmusik typische Handharmonika. Nach der Schule absolvierte die Walliserin eine Lehre als Pharma-Assistentin, blieb aber mit dem Jodeln verbunden.

Vom Jodeln leben

Sie besuchte Ausbildungen des Eidgenössischen Jodlerverbands und übernahm, erst 23-jährig, die Leitung des Jodlerklubs Safran in ihrem Dorf Mund. In einer Weiterbildung erfuhr sie vom neu konzipierten Musikstudiengang der Hochschule Luzern, bei dem Jodeln als Hauptfach gewählt werden kann – ein schweizweites Novum. Dayana Pfammatter bewarb sich und wurde aufgenommen. «Es war für mich die Chance, ein Musikpädagogikdiplom zu erwerben», sagt sie.

Tatsächlich kann sie seit dem Master-Abschluss Anfang 2024 beruflich ganz aufs Jodeln setzen. Sie arbeitet als Gesangsdozentin an einer Musikschule und als selbstständige Jodellehrerin. Ausserdem wird sie als Sängerin gebucht. Ihren Plan, zur Sicherheit ein Standbein als Fachkraft in der Apotheke zu behalten, hat sie vorerst ausgesetzt. Denn sie wird mit Anfragen für Jodellektionen nur so überhäuft. «Es ist schön, das Wissen zu hundert Prozent weitergeben zu können», unterstreicht sie.

Jodlerin Dayana Pfammatter. Foto Alain Amherd

Entwicklung genau beobachtet

Das Jodeln – einst ein Ruf von Berg zu Berg als Kommunikationsmittel – wurde nicht in der Schweiz erfunden. Doch der klangvolle alpenländische, oft mehrstimmige Lautfolgen-Gesang mit sprung­haftem Wechsel zwischen Brust- und Kopfstimme wird hier seit dem 19. Jahr­hundert hingebungsvoll praktiziert. Es gibt eine rege Jodler-Szene an der Basis, mit lokalen Chören und Verbandsstrukturen. Alle drei Jahre messen sich qualifizierte Chöre am Eidgenös­sischen Jodler­fest, ein Happening, das letztes Mal 10 000 Aktive und über 200 000 Besucherinnen und Besucher anzog.

Das Jodeln ist in der Schweiz Kulturgut und für Teile der Bevölkerung identitätsstiftend. Man beobachtet deshalb genau, was mit dem Jodeln zwischen Tradition, Öffnung und Populärkultur geschieht. So kamen in der traditionellen Volksmusik-Szene teilweise Bedenken auf, als der Jodel vor sechs Jahren akademisches Fach wurde. Das Jodeln sei kein Kunstgesang, lautete ein Einwand. Es weise regionale Eigenheiten auf, die als Brauchtum vor Ort singenderweise überliefert würden.

Altes Liedgut bewahrt

Falls es solche Zweifel immer noch gibt, werden sie mindestens gegenüber Dayana Pfammatter nicht mehr geäussert. Das hat stark mit ihrer Person zu tun. Die Walliserin ist in der Schweizer Jodlerwelt verankert. Mit ihrer Schwester trat sie früher an Konzerten «in den Jodlerhochburgen» auf, wie sie sagt. Der Eidgenössische Jodlerverband engagiert sie regelmässig als Kursleiterin und Jurorin für Jodlerfeste. Ab Herbst wird sie in zwei regionalen Verbänden die Hauptverantwortliche für die Chorleiter-Ausbildung sein.

«Die Leute kennen mich», hält sie fest, «sie wissen, dass ich mich nicht verbiege.» Im Studium befasste sich Dayana Pfammatter mit zeitgenössischexperimenteller Volksmusik und vertiefte sich zugleich in traditionelle Jodelmelodien: «Wir hörten uns alte, knisternde Tonaufnahmen an und transkribierten das Liedgut, damit es nicht verloren geht.»

Die Tradition zu bewahren und im Unterricht weiterzugeben ist ihr wichtig, und sie hat dabei besonders den Nachwuchs im Auge. Mit dem Wissen über musikalische Früherziehung, das sie an der Hochschule mitbekommen hat, vermittelt sie auch Schulkindern das Jodeln.

Jodelkurse boomen in der Schweiz

Selber hat es Dayana Pfammatter vor allem der Naturjodel angetan, die ursprünglichste Art des Jodelns: Jodeln pur, ohne Liedtext darum herum. «Der Naturjodel ist meine Herzensmusik», sagt sie. Er berühre sie tief, gehe ihr am meisten unter die Haut. Sie ist damit nicht allein. Während das Jodeln in der Schweiz nach dem Zweiten Weltkrieg den progressiv-urbanen Bevölkerungsgruppen lange Zeit als allzu urchig-patriotisch galt, erfreut es sich seit einigen Jahren grösster Beliebtheit. Jodelkurse boomen, auch in den Städten. Dayana Pfammatter verwundert das nicht: «In unserer stressigen und schnelllebigen Zeit möchten viele zurück zu den Wurzeln und zu sich selber.»

Einige meditieren oder machen Yoga, andere jodeln, sagt sie: «Das Jodeln ist etwas sehr Natürliches, Archaisches. Es hilft den Leuten, sich zu erden.» Neben dem Unterrichten und täglichen Üben leitet Dayana Pfammatter nach wie vor den Jodlerklub Safran in Mund, dem nächstes Jahr die Ehre zufällt, Gastgeber des kantonalen Jodlertreffens zu sein. Da muss vieles vorbereitet und organisiert werden. Zudem tritt sie weiterhin in Kleinformationen auf. Ihr Master-Rezital Anfang Jahr auf der Bettmeralp, bei dem zwei Ostschweizer Musikerinnen sie begleiteten, gelang so gut, dass die drei Frauen ein nächstes Projekt planen. Und dann ist da noch Dayana Pfammatters Hobby: die Walliser Schwarznasenschafe. «Durch meine Tiere bin ich sehr natur- und heimatverbunden», sagt sie.

Link: klangwaerch.ch

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Kommentare :

  • user
    Arye-Isaac Ophir, Israel 16.05.2024 um 09:01

    Kurz gesagt: BRAVO!!

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