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St. Gallen, wo tausend Treppen auf die Hügel führen

12.05.2023 – JANINA GEHRIG *

Auf dem Klosterplatz verweilen, die Aussicht bis zum Bodensee geniessen, in einer der Altstadtbeizen einkehren, die einzigartige Textilgeschichte erkunden: Warum St. Gallen immer einen Besuch wert ist.

Kommt da noch was nach Zürich? Ja. Winterthur, Wil. Und eben: St. Gallen. Die Eingangsfrage verrät, wie sich die Einwohner:innen St. Gallens gegenüber dem Rest der Schweiz zuweilen erklären müssen – und wie sie sich damit auch selbst positionieren. Etwas abgehängt scheint die Region. Gerne wird sie von Tourist:innen übersehen. Und dies, obwohl die Stadt immer eine Visite wert ist.

St. Gallen: Altstadtgasse mit Erkern. Foto: Janina Gehrig

Wer mit dem Zug nach St. Gallen reist, erkennt dies bereits bei der Einfahrt in den Bahnhof: Da zeigt sich zur Linken als Erstes die Lokremise, ein Pionierwerk der Eisenbahn-Infrastruktur und das grösste Ringdepot der Schweiz. Heute finden hier kulturelle Veranstaltungen statt und auch das wichtigste Programmkino der Ostschweiz befindet sich hier. Steigt man aus dem Zug, verheisst der Maestrani-Schriftzug an der denkmalgeschützten Bahnhofshalle, dass hier einmal Schokolade-Leckereien geschaffen wurden. Und kaum bringt einen die Rolltreppe nach oben, steigt einem der Duft nach Bratwurst in die Nase, für die St. Gallen schweizweit bekannt ist. Gäste sollten es sich merken: Sie ist bitte ohne Senf zu essen!

Eine Stadtlounge und tausend Treppen

Was macht den Reiz dieser 80 000-Einwohner-Stadt sonst noch aus? Sicher die gepflästerten und mit Erkern geschmückten Altstadtgassen mit ihrer beachtlichen Dichte an Beizen. So finden sich in der weitgehend verkehrsfreien Zone zwischen Marktplatz und Klosterviertel etwa auch die alten St. Galler «Erststockbeizli», die ein vielfältiges Spektrum zwischen Haute Cuisine und deftiger Spezialitätenküche bieten.

Auch das besondere Klima – es gibt mehrere städtische Skilifte! – und die Topografie zeichnen St. Gallen aus. Sie liegt, langgezogen, zwischen zwei Hügeln, dem Rosenberg im Norden und dem Freudenberg im Süden. Am Fusse des Freudenbergs, in St. Georgen, liegt auch das Naherholungsgebiet Drei Weieren, wo die Sicht bis zum Bodensee – dem «Schwäbischen Meer» –reicht. Da viele Treppen auf diese beiden Hügel führen, wird St. Gallen auch die «Stadt der Tausend Treppen» genannt.

Die Stadt lässt sich gut zu Fuss erkunden. Auf dem Weg in die Altstadt geht es beim Bahnhofplatz vorbei am Neumarkt, einem Ungetüm von Supermarkt. Vorbei am Roten Platz, St. Gallens Wohnzimmer unter freiem Himmel, welches die Künstlerin Pipilotti Rist und der Architekt Carlos Martinez mit übergrossen Leuchtkörpern ausgestattet haben sowie mit Sofas, Stühlen, Tischen und einem Porsche, die mit Gummigranulat überzogen wurden.

Unesco-Weltkulturerbe

Und nun zum Herzstück der Stadt, dem Stiftsbezirk. Dieser gehört mit der barocken Kathedrale und der weltberühmten Stiftsbibliothek zum Unesco-Weltkulturerbe. Die Stiftsbibliothek ist die älteste Bibliothek der Schweiz und eine der ältesten und bedeutendsten Bibliotheken der Welt. Ihr wertvoller Bücherbestand offenbart die Entwicklung der europäischen Kultur und dokumentiert die kulturelle Leistung des Klosters St. Gallen vom 8. Jahrhundert bis zur Auflösung der Abtei im Jahr 1805. Im barocken Büchersaal ausgestellt ist auch Schepenese mit ihren zwei Sarkophagen. Über die Rückführung der weiblichen Mumie nach Ägypten wird derzeit gestritten (siehe «Revue» 2/2023).

Die «Stadt in Weiss»

Früher sei St. Gallen auch die «Stadt in Weiss» genannt worden, sagt Walter Frei. Der 87-jährige Theologe ist für seine kulturgeschichtlichen Führungen bekannt. Einerseits liegt hier oft Schnee, während es in anderen Schweizer Städten höchstens regnet. Andererseits ist es eine Anspielung auf die Stadt mit ihrer Textilgeschichte. Seit dem hohen Mittelalter blühte hier das Weberhandwerk und schuf die Grundlage für den Reichtum. Als im 18. Jahrhundert die Baumwolle das Leinen verdrängte, wich man auf die Stickerei aus. Um 1910 war die Stickereiproduktion mit 18 Prozent der grösste Exportzweig der Schweizer Wirtschaft und über 50 Prozent der Weltproduktion kam aus St. Gallen. Mit der Weltwirtschaftskrise 1929 fand der Erfolg ein jähes Ende.

Besonders lebenswert macht die Stadt schliesslich auch das vielfältige kulturelle Angebot. So gibt es neben dem Textilmuseum, das eine der bedeutendsten Textilsammlungen der Schweiz beherbergt und einen Einblick in die Ostschweizer Textilgeschichte gibt, ein Kunst-, Kultur- und Naturmuseum sowie – ebenfalls im Museumsviertel beherbergt – ein Theater und eine Tonhalle.

* Janina Gehrig ist Journalistin und lebt in St. Gallen

Namensgebung

Der Wandermönch Gallus stolperte im Jahr 612 über einen Dornenbusch – und deutete dies als göttliches Zeichen: Er blieb da, gründete eine Eremitenzelle. Der Ort des Stolperns liegt unweit des heutigen Gallusplatzes, beim Wasserfall bei der Mühleggschlucht.

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