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Zwei Seelen im Berner Jura

15.09.2017 – Simon Thönen

Bern oder Jura? Am 18. Juni hat Moutier nach Jahrzenten der Spaltung knapp für den Kantonswechsel votiert. In zwei kleinen Dörfern im Berner Jura wurde am 17. September ebenfalls abgestimmt.

Der Abstimmungssonntag vom 18. Juni war in der Kleinstadt Moutier der Tag der Entscheidung – und der gros- sen Gefühle. Schon seit dem Morgen, Stunden bevor das mit Spannung erwartete Resultat der Gemeindeabstimmung über den Kantonswechsel verkündet wurde, dominierten die Pro-Jurassier mit ihren rotweissen Fahnen das Bild des Industriestädtchens. Gross war der Jubel, als feststand: Moutier will den Kanton wechseln, von Bern in den Jura. «Bravo Moutier!», rief ein Autonomist in die Menge. «Wir haben es geschafft!» Es folgte ein Volksfest mit viel Bier, Musik und Feuerwerk bis spät in die Nacht.

Doch das Resultat war mit 51,7 Prozent Ja-Stimmen knapp, der Vorsprung des Ja betrug bloss 137 Stimmen. Die Kleinstadt mit 7700 Einwohnern und Einwohnerinnen blieb am Tag der Entscheidung also gespalten. Die Pro-Berner, die sich in einer Halle am Stadtrand versammelt hatten, hatten ebenfalls gejubelt – wenn auch nur sehr kurz. Irrtümlich glaubten sie einen Moment lang, der Sieg sei auf ihrer Seite. Dann brachen viele in Tränen aus. Und die Enttäuschung der Verlierer machte dem pro-jurassischen Bürgermeister von Moutier, Marcel Winistoerfer (CVP), «ein bisschen Angst», wie er trotz der Freude über seinen Abstimmungssieg einräumte. Es sei jetzt eine grosse Herausforderung für die Stadtbehörden, auch jene von der jurassischen Zukunft zu überzeugen, die diese abgelehnt hatten.

In Moutier sind die Würfel gefallen. In den Jahrzehnten zuvor war der Streit heftig, weil die Stadt an der Grenze zwischen Nord- und Südjura gespalten war. Andernorts sind die Verhältnisse klarer. Der grösste Teil des Berner Juras will beim Kanton Bern bleiben, wie eine regionale Volksabstimmung 2013 klar gezeigt hat. Und es haben nur zwei weitere Gemeinden im Berner Jura nach Moutier über einen Kantonswechsel abgestimmt – am 17. September (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe): Belprahon ist im Ortskern ein wunderschönes ehemaliges Bauerndorf am Südhang des Mont Raimeux – und ansonsten ein Vorort von Moutier mit vielen Einfamilienhäusern. Auch in diesem 300-Einwohner-Dorf war man in der Frage Bern oder Jura gespalten – bis in die Familien hinein. Gemeindepräsident Michel Leuenberger galt als pro-bernisch, sein Bruder Philippe hoffte auf ein Ja zum Jura, «weil der Jura familiärer ist, dort feiert man die besseren Feste». Doch inzwischen führe man, bestätigen die beiden, anders als früher wegen der Jurafrage keinen Krieg mehr in der eigenen Familie.

Sorvilier, das zweite Dorf, das am 17. September abstimmte, grenzt nicht an Moutier. Abgestimmt wurde, weil die Mehrheit des Gemeinderates projurassisch ist – der Gemeindepräsident allerdings ist Pro-Berner. Wie viele Dorfbewohner hat François Romy, der Präsident der neutralen Burgergemeinde, zwei Seelen in seiner Brust. «Im Herzen bin ich Jurassier», sagt er. «Doch ich bin auch ein vehementer Verteidiger der Zweisprachigkeit» – also des Zusammenlebens von Frankofonen und Deutschsprachigen im Kanton Bern.

Simon Thönen ist Journalist bei der TagesZeitung Der Bund

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