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  • Politik

Die umstrittene Alternative zu den unzähligen Passwörtern

04.02.2021 – Eveline Rutz

Online-Dienste zu nutzen, soll in der Schweiz einfacher und sicherer werden. Bundesrat und Parlament möchten dazu eine elektronische Identität (E-ID) schaffen. Doch das Vorhaben ist umstritten. Das Stimmvolk entscheidet am 7. März, ob die E-ID tatsächlich eingeführt wird.

Mal sind es sechs, mal acht Ziffern. Mal Buchstaben, mal Zahlen. Wer sich im Internet bewegt, hat unzählige Passwörter. Hinzu kommen weitere Login-Daten: ein Name, eine Mail­adresse oder eine Kundennummer. Nur wer vertrauenswürdig erscheint, kann online Lebensmittel bestellen, Theaterkarten kaufen oder Rechnungen begleichen. Die Verfahren zur Identifizierung und Authentifizierung funktionieren unterschiedlich.

Justizministerin Karin Keller-Sutter: Rein staatliche Lösungen sind nicht optimal.

Um einem «weiteren Wildwuchs» entgegenzuwirken und klare Regeln vorzugeben, hat das Parlament 2019 ein neues Gesetz verabschiedet. Das «Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste» (BGEID), das am 7. März 2021 zur Abstimmung gelangt, schafft die Grundlage für eine elektronische Identität (E-ID). «Es geht um ein qualifiziertes Login», betonte Bundesrätin Karin Keller-Sutter im Parlament. Wer Online-Dienste nutze, solle sich darauf verlassen können, dass ein rechtlicher Rahmen seine Interessen schütze. Es gehe allerdings nicht um einen digitalen Reisepass.

Ein Baustein für das E-Voting

Dank der E-ID soll es einfacher und ­sicherer werden, online Geschäfte zu tätigen und eGovernment-Anwendungen zu nutzen. Sie soll Verwechslungen vorbeugen und vor Hackerangriffen schützen. Vorgesehen sind drei Sicherheitsstufen. Die höchste, bei der ein Gesichtsbild gespeichert würde, käme dort zum Einsatz, wo es um besonders sensible Daten geht. Beim Austausch von Gesundheitsinformationen etwa, bei der E-Steuerrechnung oder bei Wahlen und Abstimmungen im Internet. Letztere könnten dank der E-ID durchgehend digital gestaltet werden. Das heisst, alle Unterlagen und Zugangsdaten wären online verfügbar. Die Behörden könnten darauf verzichten, per Post einen PIN zu verschicken, wie dies beim derzeit sistierten E-Voting-Verfahren notwendig ist. Den Anbietern und der Bevölkerung stünde es in jedem Fall frei, die staatlich geprüfte Identität zu verwenden oder darauf zu verzichten.

Den per Brief erhaltenen Authentifizierungs-PIN freirubbeln und ­manuell eintragen: Die bisherigen E-Voting­-Versuche in der Schweiz waren keineswegs durchgehend digital ausgestaltet. Mit einer vom Staat kontrollierten elektronischen Identität wäre dies ­möglich. Foto Keystone

Für die Umsetzung sollen öffentliche Hand und Privatwirtschaft zusammenarbeiten. Der Bund würde die Existenz einer Person und ihre Identitätsmerkmale prüfen und registrieren. Private Unternehmen, aber auch kantonale und kommunale Verwaltungen würden die E-ID herausgeben. Diese sogenannten Identity Provider (IdP) wären für die Karten, die USB-Sticks oder E-ID-Applikationen zuständig. Eine unabhängiges Expertengremium, die Eidgenössische E-ID­Kommission (Eidcom), würde die IdP zulassen und überwachen.

Der Markt soll die besten ­Lösungen hervorbringen

Mit dieser Aufgabenteilung wollen der Bundesrat und eine Mehrheit des Parlaments gewährleisten, dass praxistaugliche und konsumentenfreund­liche E-Services entstehen. Private Anbieter seien näher bei der Kundschaft und könnten flexibler auf technologische Entwicklungen reagieren, argumentieren sie. «In anderen Ländern haben die Erfahrungen gezeigt, dass rein staatliche Lösungen nicht optimal und nur wenig erfolgreich sind, weil sie von der Wirtschaft nicht genutzt werden», so Karin Keller-Sutter.

Die geplante Kooperation ist jedoch umstritten. Sie ist der Grund, warum die Digitale Gesellschaft, die Kampagnenorganisation Campax, die Demokratieplattform WeCollect und der Verein PublicBeta das Referendum ergriffen und damit eine Volksabstimmung erzwungen haben. Der Staat verabschiede sich damit von einer Kernaufgabe, kritisieren sie und sprechen von einem «Kniefall vor den Interessen der Wirtschaft». An die Stelle des Passbüros träten Grossbanken, Versicherungen und staatsnahe Betriebe. Das Bündnis findet es gefährlich, Privaten Zugang zu sensiblen Daten zu gewähren. Diese verfolgten in erster Linie kommerzielle Interessen und seien nicht vertrauenswürdig. Dem Staat bleibe lediglich eine schwache Kontrollfunktion. Die Gegnerschaft zweifelt zudem an der Freiwilligkeit. Sie befürchtet, dass Online­Dienste Druck ausüben könnten, die E-ID zu nutzen. Die SP und die Grünen haben diese Sicht bereits im Parlament vertreten. Die Piratenpartei, der Schweizerische Verband des Personals öffentlicher Dienste, Seniorenorganisationen und weitere Netzwerke teilen sie.

Datenschützer steht hinter der Vorlage

Befürworter halten den Sicherheitsbedenken entgegen: Der Staat gebe die Kontrolle über die Daten nicht aus der Hand. Das BGEID gehe über die geltenden Bestimmungen hinaus. So dürften die personenbezogenen Informationen nicht für andere Zwecke verwendet oder ohne Einwilligung weitergegeben werden. Ein Verkauf wäre verboten.

Datenschutzexperte Adrian Lobsiger: Die vorgeschlagene E-ID ist datenschutzkonform.

Adrian Lobsiger, der eidgenössische Datenschutzbeauftragte, streicht die Datenschutzkonformität heraus. Die Vorlage bringe eine Vereinfachung, da nicht mehr jede Bank, jedes Unternehmen und jede Verwaltung ein ­eigenes, vertrauenswürdiges Login entwickeln müsste. «Sie würde zu ­einer gesetzlichen Standardisierung der technischen Sicherheit und des Datenschutzes führen.» Die geplante Lösung habe den Vorteil, dass Private ein E-ID-System finanzieren und betreiben würden, für welches der Staat Regeln vorgebe. Werde sie an der Urne abgelehnt, könnte sich die Schweiz dereinst gezwungen sehen, ausschliesslich private E-IDs anzuerkennen. Je nachdem auch von ausländischen Anbietern wie Apple oder Google, obwohl diese nicht den gleichen Datenschutz garantierten. Lobsiger erwähnt, dass einige kantonale Behörden bereits mit der Firma SwissSign zusammenarbeiten. Sie machen über deren SwissID staatliche Online-Dienste zugänglich.

Kritikerin Anita Fetz: Ein privates Monopol ist nicht die Wettbewerbsform der Zukunft.

Es zeichnet sich ein Monopol ab

In der SwissSign Group sind die Post, SBB, Swisscom, Six, Grossbanken sowie Versicherungen zusammengeschlossen. Dass sie Interesse daran hat, eine E-ID herauszugeben, kritisieren Skeptiker und Skeptikerinnen wie Anita Fetz (SP/BS). Ein privates Monopol sei nicht unbedingt die Wettbewerbsform der Zukunft, sagte die alt Ständerätin in der Parlamentsdebatte. Justizministerin Karin Keller-Sutter wies diesen Einwand als «nicht schlüssig» zurück. «Was wäre denn der Staat als Herausgeber?» Ziel sei es ja gerade, dass sich auf dem Markt mehrere ­Anbieter konkurrenzierten und verschiedene Anwendungen entwickelten.

Mit einer E-ID lege man eine ­wichtige Basis für die digitale Transformation, betonen jene, die sich für ein Ja einsetzen. Die Schweiz dürfe die Chance nicht verpassen, digital voran­zukommen und den Rückstand gegenüber dem Ausland zu reduzieren. Tatsächlich steht die Schweiz, was das E-Government betrifft, schlechter da als vergleichbare Staaten. Sie drohe den Anschluss zu verlieren, warnen Experten. Dies sei die letzte Gelegenheit überhaupt, die Kontrolle über die Identifizierungsdaten der Schweizer Bürger im eigenen Land zu behalten, mahnte Ruedi Noser (FDP/ZH) in der kleinen Kammer. Schiebe man das Vorhaben hinaus, spiele man Apple, Google, Facebook und Amazon in die Hände.

Eveline Rutz ist freie Journalistin in Winterthur. Sie schreibt vor allem über politische, gesellschaftliche und wissenschaftliche Themen.

Das Parlament der Fünften Schweiz, der Auslandschweizerrat (ASR), hat sich am 10. Juli 2020 für ein Ja zur Abstimmungsvorlage ausgesprochen. Mit 37 zu 26 Stimmen und 18 Enthaltungen war der Entscheid aber nicht einstimmig.
 

 

Was die E-ID den Staat kostet

Um eine E-ID zu realisieren, müsste der Bund einmalig 7,9 Millionen Franken ausgeben. ­Damit würden die Systementwicklung sowie der Aufbau der Identitäts- und Anerkennungsstelle finanziert. Für den Betrieb dürften laut EJPD rund 3,5 Millionen Franken pro Jahr ­anfallen. Er würde allerdings über Verwaltungs­gebühren gedeckt; für den Bund wäre er damit kostenneutral.

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Comments :

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    T. Haller, Milnerton, South Africa 18.02.2021 At 13:02
    Wieso müssen unterschiedliche Anbieter um meine E-ID konkurrieren ?
    Der Bund muss die einzige Stelle sein wo meine Daten hinterlegt sind was, was sie jetzt schon sind.
    Der Bund garantiert mit der Vergabe einer E-ID, dass ich der bin den ich vorgebe zu sein. Der Rest funktioniert über meine E-ID die für alle Anderen als Identifikation funktioniert.
    So sind meine Daten geschützt, was jetzt auch sein sollten, es kann kein Missbrauch damit betrieben werden. Wenn Andere meine Daten wollen müssen sie sie von mir direkt abholen und ich kann entscheiden ob ich sie geben will oder nicht. Nicht über dunkle Wege einkaufen.
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  • user
    Robert Spichiger, USA 13.02.2021 At 19:48

    In my perfect world, the federal government would offer a secure and convenient eID. However, I understand the real-world arguments against it. The city of Zug may have found a realistic solution if people are willing to spend some time learning about distributed ledger technology (blockchain).



    https://joinup.ec.europa.eu/collection/egovernment/document/swiss-city-zug-issues-ethereum-blockchain-based-eids#:~:text=Since%20November%202017%20the%20Swiss,app%20and%20an%20online%20portal.

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    Ghebressiladie Kokob,Tunesien 12.02.2021 At 16:56

    Grüss Gott



    Ich würde E-ID von E-Voting trennen, weil ich denke, dass E-ID kann man vieleicht in Inland brauchen, das E-Voting ist besonderes für die Auslandschweizer sehr attraktiv. Mit der Post abstimmen ist ja langsam und der Abstimmungstermin ist jeweils vorbei . Mit freundlichen Grüssen, Kokob

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  • user
    Franz Ursprung, La Conversion, Suisse 12.02.2021 At 12:40

    La Suisse 2021: Ne savez-vous donc pas qu'ily a des personnes agées qui ne comprennent rien avec les ordinateurs et les téléphones tablettes !

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  • user
    Hans Willi, Spanien 11.02.2021 At 21:58
    Meine persönliche Daten gehören in die Hand des Staates, nicht in die Hand von Privatfirmen. Weshalb haben die privaten Anbieter ein so hohes Interesse daran, die Verarbeitung zu übernehmen?? Wenn sich mit den Daten ja kein Geschäft machen lässt, macht das gar keinen Sinn. Also die Schlüsse daraus zu ziehen ist einfach.

    Ich will meine Daten NICHT in den Händen von irgendwelchen pirvaten Interessen sehen.
    Und was von Versprechungen zu halten ist, dass die Daten sicher seien in den Händen dieser Anbieter, das sah man in der Vergangenheit immer wieder. Und die Kontrollen durch den Staat kann man getrost vergessen, das funktioniert ja nicht einmal bei der Kontrolle der Restaurants, des Tierschutzes, der Lebensmittelsicherheit und und und.
    Weshalb soll sie denn bei den Datenkraken funktionieren. Wer glaubt denn das?

    NEIN zu dieser Vorlage und NEIN zum Gegenvorschlag.
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  • user
    Eric W. Schaffner Canada, Québec, Montréal 11.02.2021 At 20:40
    Suite à mon commentaire précédent, j'aimerais ajouter ce lien pour consultation, si cela est conforme à votre politique.

    https://x-road.global/xroad-world-map

    N.B. Je n'ai absolument aucun intérêt personnel ni aucun lien avec l'entreprise.
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  • user
    Eric W. Schaffner Canada, Québec, Montréal 11.02.2021 At 20:31
    Bonjour,
    Une spécialiste reconnue au Québec, Michelle Blanc, m'a suggéré, en lui parlant de ce projet de e-ID, que la Suisse jette un œil sur: X-Road® Data Exchange Layer.

    Cordialement, Eric W. Schaffner (Suisse au Québec)

    Michelle Blanc M.Sc.
    Consultante conférencière et auteure stratégie de gestion et marketing internet. Mon titre académique est http://M.Sc. commerce électronique
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  • user
    Viviane Muhlethaler - Martinique 11.02.2021 At 17:07
    Bonjour, est ce que cela marcherait pour les Suisses de l'étranger Merci
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    • user
      Stefanie Mathis, Rechtsdienst der Auslandschweizer-Organisation 12.02.2021 At 09:44
      Selon la documentation de vote, tous les Suisses pourront à tout moment demander une e-ID. Bien entendu, sous la condition, que l’initiative soit adoptée.
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    Paul Grab, Honolulu 10.02.2021 At 18:20

    Ich bin auch der Meinung des Bundesrats / Karin Keller-Sutter.

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    Pascal Schneider, Thailand 10.02.2021 At 11:37

    Eine E-ID, die von einem Privaten organsiert wird, will ich nicht. Der Staat kann die Sicherheit NICHT garantieren, obwohl es gesagt wird. Werde daher dagegen stimmen.

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      Christian Fedrigo, Brasilien 11.02.2021 At 23:43
      Ja, ich auch.
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    Merlin de Lima, Manila, Philippinen 10.02.2021 At 04:07

    Ein Fass ohne Boden wird wieder aufgemacht für das Schweizer Volk! Die Schweiz ist auch nicht in der Lage, ein System auf die Beine zu stellen, das den Auslandschweizern ermöglicht, an Abstimmungen teilzunehmen! In solche Systemen werden Millionen verheizt und am Schluss werden sie wieder abgezogen und vernichtet und der Souverän hat bezahlt. Der Bundesrat ist wie so oft völlig überfordert und das Wichtigste: Sie haben keine Ahnung! Man kann nicht Politiker zum Oberhaupt machen und sie versteht nichts von der Materie. also muss es ein klares NEIN sein am 7.März 2021. Leider kann ich nicht abstimmen, denn die Unterlagen werden wie immer zu spät kommen.

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    • user
      Johny Girod, France 14.02.2021 At 19:24

      Bonjour.


      Le problème du délai de renvoi des votations viennent plus du pays où vous habité.


      J'habite en France et je reçois les enveloppes de vote un mois a deux mois a l'avance.Donc largement le temps de réagir.


      Moi même, je suis contre l'E-ID car le système électronique ne pourra jamais être sur à cent pour cent.

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  • user
    Peter Künzli, Flic-en Flac, Mauritius 09.02.2021 At 14:39

    Erhalten auch die Auslandschweizer eine E-ID? Kann man damit entlich elektronisch abstimmen. Falls nein, was soll für uns Auslandschweizer

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    • user
      Marc Lettau, Redaktion "Schweizer Revue" 10.02.2021 At 08:40

      Eine E-ID können grundsätzlich alle beantragen. Eine E-ID führt aber nicht automatisch zum E-Voting. Es ist lediglich so, dass die E-ID eine künftige E-Voting-Lösung erleichtern könnte.


      Derzeit hat die Schweiz sämtliche E-Voting-Versuche sistiert: Niemand kann momentan an nationalen Urnengängen elektronisch abstimmen. In Kürze sollen aber erneut E-Voting-Versuche zugelassen werden. Die "Schweizer Revue" wir in ihrer nächsten Ausgabe über den aktuellen Stand zum Thema E-Voting berichten.

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